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OO Titus Livius Roͤmiſche Geſchichte, 7 uͤberſetzt [837

C. 5. Klaiber,

Affeffor bei dem evangeliſchen Eonfiftorium und Profeffor der alten Literatur am obern Gymnaſium zu Gtuttgart,

Erfte Abtheilung.

Stuttgart, _ Verlag der J. B. Meslerfhen Buchhandlung,

Zür Qeſtreich in Eommiffion von Mörfhner und Jafper in Wien, ı 8 a I

Altos Fade

Hari , Vın er. 1 Gar \ , Koya

Titus Livius Roͤmiſche Seſdiote,

überſetzt von _ C. F. Klaiber,

Königl. Württemb. Oberconfiftorial: und Oberſtudienrath.

Erites Bändchen.

—h

J Vierte Auflage.

Stuttgart,

Verlag der J. B. Meslerfchen Buchhandlung.

Für Oeſtreich in Eommiſſion von Nörfd ner und Jaſper in Wien.

18535

Einleitung

Bon dem Aagern Leben des Titus Livius if wenig mehr zu: fagen, als daß derfelbe um's Jahr 69 nach Erbauung Roms, dem 8ſten vor Chriſti Geburt, zu Patavium, dem heutigen Padua in Ober: italien, geboren, und, GSprößling einer angeſehenen Familie, ebendaſelbſt als ein Greis von 75 Jahren ſtarb. Sein Daſeyn fiel in jene Zeit, mo unter ſchwe⸗ ren Kämpfen Rom die alten Formen wechſelte, amd der Freiſtaat in ber Herrſchaft eines Einzigen bie lang entbehrte Ruhe fand, Es wäre ſpurlos ver ſchwanden, denn die Geſchichte weiß von feiner Öffentlichen Thaͤtigkeit kaum etwas mitzuiätllen, hätte er in feinem Werke nicht cin Denkmal feines reichen Geiſtes und edeln Sinnes hinterlaflen Was er mit dieſer Arbeit bezweckte, ſpricht er ſelbſt in ſeiner Borrede nicht ohne leiſe Webmuth aus. Begeiſtert für die großen Tage und Trümmer der Vergangen- Heit, trauesıd über fo Manches, mus er ſelbſt geſehen ‚hatte und wach fehen mußte, glähend für des Waskt-

6 Einlettung.

landes Wohl und Rubm, faßte Living, gleich an: _

dern Edeln, welche aus der ‚Gegenwart hinweg ſich nach der Vorzeit wendeten, den Entſchluß, die⸗Ge⸗ ſchichte ſeines Volks zu ſchreiben, „dem eigenen Ge: müthe zur Weide,“ der Mit- und Nachwelt zur Er: holung und zum Gpiegel. In mehr als 20jähriger: Arbeit vollendete er 142, achtbalb Jahrhunderte Roms umfaffende, Bücher, wovon jedoch im Ganzen nur 35 übrig, die wichtigſten, Iehrreichften laͤngſt verloren find. Er benuste dazu, außer Altern, theile Lateini⸗ fen, theils Griechischen Schriftftellern und Urkun⸗ den, bei längerem Aufenthalt. in Rom, mit Auguſts Bewilligung, was in diefer Stadt. von alten fchriff: lichen und andern Denkmalen nod vorhanden war; und wurde ſchon von feinen Zeitgenoffen bergeftalt bewundert, Daß, nach dem jüngern Plinius, ein Ga⸗ Ditaner einzig feinefwegen ven den Ufern bes atlan- tifhen Meeres bis zur Tiber reiste, und, nachdem er den Gefeierten gefehen hatte, ohne weiter fi um Rom zu kümmern, nad Gades (Cadiz) zurückkehrte. Glei⸗ che Schaͤtzung wurde ihm won Späteren. zu Theit.

Tacitus rühmt feinen meifterhaften Styl und feine Sittoxifche Treue. Und der geſchmackvolle Kenner ber

GSriechiſchen und Roͤmiſchen Literatur, Quintilianus, ſchreibt unter anberem non ihm: „Nieht zürne He⸗

. @inleitung. 7

neobotus, wenn ihm an die, Seite Livius geſtellt „wird, ungemein anmuthig in der Erzählung und „von der lauterften Biederherzigkeit, in feinen öffent „lichen Reden aber über alle Beichreibung beredt. So angemeſſen den Umftänden und den handelnden ;,Berfonen ift in Allem der Vortrag. Die Gemüths: „bemegungen aber, vornehmlich die fanfteren,. hat, „um das Wenigſte zu ſagen, kein Geſchichtſchreiber „anſprechender geſchildert.“ Livius kannte (wie überhaupt wenigſtens in der Wirklichkeit die Alten) nur drei Verfaſſungen: Einen unumſchraͤnkt Gebietenden; die Regierung erblicher Gefchlechter, und die Volksherrihaft. Unter Jenes Willführ ftes ben, ſchien ihm Hart und Enechtifch; Letztere war ihm zuwider durch die Natur der Menge, durch Gefchichte und Erfahrung, zumal feiner Zeit. Ihn erfüllte der alte Römiſche Senat mit Ehrfurcht, und, ein Freund des DBleibenden, Beharrlihen, Wohlabgemeflenen-in _ Sitte, Grundfägen und Redten, wofür ihm eine gemäßigte Ariftocratie die befte Bürgihaft fehien, verhehlte er die Vorliebe für dieſe auch in feinem Werke fo wenig, daß ihn Auguftus, ‚welcher feine Gunft ihm fchenfte, einen Pompejaner nannte Doch wie Livins dachte, wie er fehrieb, davon dem Leſer ein getreues Abbild zu geben, ift die Aufgabe

nz

3 Einleitung,

Der vorkjegenben Ueberſetzung. Diele murbe, einem roßen Theile nad im Laufe ber Ishten 47 * Ahr meine Öffentlichen Lehrſtunden entwerfen und überarbeitet mit fleigender Bewunderung Des greifen Geſchichtſchreibers, welche Feine anerkannten, nad. nad) weniger irgendwo aufgehürbete, Mängel feines

Werkes in mir ſchwäͤchen kounten. Möge die -je

den Falles mit Liebe verfuchte Nachzeichnung dem nnerreichbaren Urbilde wenigitens nicht allzufern er⸗ fanden mesden!

Stuttgart, im Auguf 4826.

€. F. Klaiben

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Inhalt des erſten Buchs.

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Das erfie Buch enthält Aeneas Aukunft im Italien und feine Thaten; die Regierung des Aſcanias zu Alba, des Aeneas Silvins und der folgenden Silviſchen Könige. Numitors Toch⸗ ter, von Mass gefhwängert. Nomulus und Remus geboren, Amulins ermordet, Gay. 1 5.

Romulus erbaut die Stadt; wählt den Senat; führt Krieg

mit den Sabinern; bringt dem Jupiter Feretrind die Waffen⸗ rüfung bes feindlichen Anführers bar; theilt das Volk in En- rien; beſiegt die Fibenaten und Weisuter; wird vergöttert. Say. 6 16. Numa Pompilius ordnet die Gebräuche beim @ötterbienfie au; errichtet dem Janıs einen Tempel, und ift ber Erſte, ber das Thar deſſelben fchlieht, als mit allen umwohnenden Völker ſchaften Triebe geworben war; gibt nächtliche Zuſammenkünfte mit ber Göttin Eseria vor, und erweckt in feinem vohen Volke Sinn für Religion. Eap. 17 2.

Tullus Hoſtilias bekriegt bie Albaner, Kampf ber Dril⸗ Ungöbehber. Horatius freigeſprochen. Todesſtrafe des Mettus Zuffetind. Alba zerſtört; die Albaner als Bürger nach Nom verpflanzt. Den Gabinern Krieg erflärt, Tullus vom Blitz er- ſchlagen. Cap. 83 51.

Ancus Marcius erneuert den von Numa eingeführten GSbt⸗ terhienft , beſiegt die Latiner, verpflanzt fie als Bürger in bie Staht und weist ihnen den Berg Aventin an. Er erobert Po⸗ Iitorium, eine Stadt der Latiner, weldye bie alten Latiner ges nomsmen hatten, und gerfiört fie. Er ſchlägt eine hölzerne Brüls &e Über bie Tiber amd zieht den Berg Jauiculum zur Stadt; erweitert die Greugen bei Reichs; baut Dia; regiert vier umb azwanzis Zabre. Eny, 32 55. Unter feiner Regierung Tommi

10 Juhalt des erften Buchs.

Lucumo,; des Corinthiers Damaratus Sohn, von Tarquinii, einer Stadt in Etrurien, nach Rom, wird ein Freund bes An: end, nimmt ben Namen Taraninius an und gelangt nach An- cus Tode auf ben Thron. Er vermehrt die Zahl der Väter um hundert neue, befiegt die Katiner, beflimmt einen Plag für den Circus (Rennbahn), ftellt Spiele an. Won den Sabinern be: eriegt, verfiärft er die GCenturien der Reiter. Er foll den Au: „zur Attus Navius, um feine Wilfenfchaft auf die Probe zu ſlel⸗ ien, gefragt haben, ob das, an was er. benPe, möglich fe. Als . Jener es bejahte, Habe er ihm aufgefordert, mit einem Scheer:- . meffer einen Kiefelftein zu zerfchneiden und bieß habe Attus als fobald gethan. Er befiegt die Sabiner im einem Treffen; um: gibt die Stadt mit einer Mauer; legt Kloaken an. Nach einer Regierung von. acht und dreißig Jahren wird er von den Söh⸗ nen bed Ancus ermordet. Cap. 56 AU.

Ihm folgt Servius Tullins, der Sohn einer vornehmen Gefangenen aus Corniculum; ber Sage nad) fand ihm ale Ruaben, da er noch in ber Wiege lag, der Kopf in Flammen. Er ſchlägt die Weienter nnd Etrusker in einem Treffen; hält die erfie Schatzung (Cenſus), feiert dad Schatzungsopfer (Lu— frum), wo achtzig tauſend Bürger gezählt worden feyn follen; theilt die Elaffen und Eentirien ab; rüdt das Pomdrium (dem Zwinger) weiter hinand ; zieht den Quirinaliſchen, Viminaliſchen und Cequilinifchen „Hügel zu ber Stabt; errichtet mit ben La⸗ tinern der Diana .einen Tempel anf dem Aventin, wird nach

Asjähriger Regierung auf Anftiften feiner Tochter Tullia von Lucius Tarquinins, des Priscns Sohn, ermordet. Cap. 41 48.

Nah ihm bemädytigt fi Lucius Tarquinius, ber Des: pot [Superbus], ohne ber Väter oder bed Volkes Geheiß. nes Thrones; an biefem Tage treibt die verruchte Tullta fiber den Reichnam bes Vaters den Wagen hin. Er hat Bewaffuete um fic zur Leibwache; bringt den Turnus Herdonius durch Trug um's Leben; führt Krieg mit ben Volskern, und legt von ihrer Beute bem Jupiter einen Tempel anf dem Capitol an. Jerminus und Juventas willigen nicht ein und ihre Altäre Eins uen nicht verſezt werben. Durch die Lift feinen Sohnes Sex⸗

Vorrede. 11

las Tarquinius bekommt er. Gabii In feine Gewalt. Seiue Shine, die nach Deiphi reifen und fragen, Wer von ihnen Kö: nig zu Rom ſeyn werbe, erhalten bie Antwort: Der werde Kö⸗ nig werben, der zuerft feine Mutter küſſe. Sie deuten diefen Ausſpruch anders, Brutus ftellt ſich, ald wäre er gefallen und küßt die Erde. Und diefe feine Handlung rechtfertigt der Er⸗ folg. Xarquinids, der Desyot, hatte durch fein herriſches

‚Werfahren ben Haß Aller fi zugezogen. Zuletzt entehrt fein

Sohn Sextus durch nächtliche Gewaltthat die Lucretia. Die⸗ fe laͤßt ihren "Mater Trieipitinns und ihren Mann Collatis rufen, befchwört fie, ihren Tod nicht ungerächt zu laſſen

und erfticht ſich mit einem Dolche. Und nun wird ber König hauptſaͤchlich durch Brutus Bemühung verjagt, nad einer Ne: gierung von fünf und "zwanzig Jahren. est werden zum er: ftenmale Confuln gewählt Lucius Tuning Bruins unb Su: eins‘ Tarquinind Collatinus. Gap. 49 60.

-

Vorrede.

Ob ich etwas Verdienſtliches thun werde, wenn ur eine vouſtandige Geſchichte des Romiſchen Voikes vom Urs fprunge der Stadt an ſchreide, weiß ich weder beſtimmt, noch würde ich, wenn ich's wüßte, es auszufprechen wagen, da ich fehe, daß es ſchon längſt und ſchon oft gefchehen ift, indem immer neue Schrififteller entweder über die Cchatfes chen etwas Gewiſſeres mittheilen, oder durch die Kunſt des Vortrages das -ungebildete Alterthum übertreffen zu kön⸗ aen glauben. Pie dem auch feyn wird, Freude wenigſtens wird es mir gewäßren, zum Sepächtniffe. der Thaten des

12 WVorrede. |

erſten Volkes der Erde auch dad Meinige beigeizagen zu haben; und ſollte bei ver queßen Menge von Befhihinbter bern mein Ruf im Dunteln bleiben, fo mag der Mutın und die Größe Derjenigen, die meinen Namen überftraßlen werden, mic tröften. Ueberdieß if nicht nur die Aufgabe unermeßlich, da ihr Gegenſtand über mehr ats fiebenhundent Sabre hinanfreicht, umd da der Staat, fo klein fein erſter Anfang war, dergeſtalt emporgewachſen iſt, daß er nun: mehr unter feiner Größe zu erliegen droht: ſondern es wird auch ohne Zweifel den meiſten Leſern die Urgeſchichte und was derſelben am nächiten liest, weniger Dergnägen gewähren, indem fie zum der neneflen Gegenwart hineiten, wo des ſchon lange übermächtigen Volkes Kräfte ch ſelbſt verzehren. Ich hingegen werde auch darin einen Lohn für meine Urbeit ſuchen, daß ich von dem Anblicke der Uebel, welche unfer Zeitalter fo viele Jahre hindardy gefehen Kat, wenigſtens, fo lange Ich jene alten Tage mis ganzer Seele mir zurückrufe, mich abwende, frei von aller Beſorgniß, welche das Gemüth des Geſchichtſchreibers, wenn auch nicht von der Wahrheit ablenken, doch bedenklich machen könnte, Was ans den Zeiten, che die Stadt erbaut sder ihr Bau beſchloſſen war, mehr im Schmucke dichterifcher Sagen, als nad unverfälfchten geſchichtlichen Denkmalen überliefert wird, bin id; weder zu bekräftigen noch zu widerlegen Wil⸗ lens. Man geftattet es dem Alterthume, durch Einmiſchung des Böttlihen in das Menſchliche, den Begium der Staͤbte ehzwürdiger zu machen. Und ‚wenn ed irgend einem Weiße erlanbt fein fol, feiner Urgeſchichte eine deilige Deihe zu oben und Götter als feime Gtifter zu uenuen, fo iA der

Vorrede. 13

Kriegoernhm des Rbmiſchen Bokkes fo groß, daß, wenn daſ⸗ fülbe ‚gerade den Mars feinen und ſeines Gründers Vater nennt, die Völker der Erde auch dieſes eben fo willig, als feine Herrſchaft, ſich gefallen laſſen. Doch, wie man and) diefes und Aehnliches anfehen und beurtheilen mag, id; mes nigſtens werde Fein großes Gewicht darauf legen. Dahin richte nur jeder fcharf fein Augenmerk: wie das Leben, wie die Sitten waren; durd) weiche Ränner und durch welche Mittel, zu Haufe und im Yelde, die Herrſchaft fowohl er⸗ rungen als erweitert worden; hernach, bei dem allmaͤhli⸗ gen Zerfalle der Zucht, verfolge er mit feinem Geifte die Sitten, wie fie anfangs gleichſam aus den Fugen wichen, darauf mehr und mehr fanten, zuletzt jählings zuſammen⸗ flürgten, bis die gegenwaͤrtige Zeit eintrag, wo wir weder unfere Verderbaiß, nod) die Mittel dagegen ertragen kön: nen. Dadurch wird die Keuntniß der Gefchichte vornehm⸗ lich heilbringend und feuchtreich, daB du lehrende Beifpiele jeder Art im einem -wohlbeiendhteten Denkmal aufgeftellt an- ſchaueſt; daran mögeft du für dich und dein Gemeindeweſen abnehmen , was du nachahmen, daran, was, als fchändlich in feinem Beginn, als fhändiieh in feinem Ausgange, bis meiden folleft. Uebrigens, entweder taͤuſcht mich Vorliebe für die unternommene Arbeit, oder nie war ein Staat grö⸗ fer, ehrwürdiger, an edeln Vorbildern reicher, nie eine Stadt, in welche fo fpät Habſucht und Ueppigkeit einwan⸗ derten, nie eine, wo Armuth und Sparſamkeit fo hoch und fo lange geehrt wurden. Ta, je weniger man hatte, defto weniger begehrte man. Erſt menerlic, hat der Reiche " thum die Habfucht, Haben die in Heberfülle zuſtrömenden

ah Livius Nömifhe Geſchichte.

Dutel des Genuſſes das Verlangen eingeführt, durch Uer⸗

pigkeit und Zaugelloſigkeit zu Grunde zu gehen und Alles

zu Grande zu richten. Dod, Klagen, wobl nit einmal dann angenehm, wenn fie vielleicht. auch nöthig ſeyn werden, ſollen wenigftens beim Unfange einer fo großen Unternehs mung ferne. bleiben. Lieber möchten wir, wenn dieſes, wie bei den Dichtern, auch bei uns Sitte wäre, vielmehr mit guten Sprüchen, mit Gelübden und Gebeten zu Göt⸗ tern und. Göttinnen anfangen, daß fie dem Beginn eines ſo

großen Werkes erwünfchten Fortgang geben möchten.

Erſtes Bud.

1. Zuvorderſt ift allgemein angenommen, daß nach Trojas Eroberung alle Trojaner grauſam behandelt wur: den, daß nur gegen zwei derfelben, Yeneas und Antenor, theils wegen alten Gaftrechts, theils weil fie immer zum Frieden und zur Rückgabe der, Helena gerathen hatten, die Archiver durchans nichts Feindliches verübten; daß dar⸗ anf nach mancherlei Schidfalen Antenor mit einem Haufen Heneter, welche, durch Bürgerzwiſt aus Paphlagonien ver: trieben, Wohnſitze, und weil fie ihren König Pylaͤmenes vor Troja verloren hatten, einen Führer. fuchten, in die binterfte Bucht des Hadriatifhen Meeres kam, und daß nad) Berfreibung der Euganeer, welche zwiichen dem Meer

4

Erſtes Buch. 15 ind den Alpen wohnten, die Heneter und Trojaner jene ande befesten; -— (wirklich wird aud) der Ort, wo fie zu⸗ erſt landeten, Troja gehannt, und davon heißt der Gau der Zrojanifche ; das ganze Volk befam den Namen Veneter) daß Aeneas, durch gleiches Unglück aus der Heimath flüch⸗ fig, aber vom Schickſale zu Gründung eines größern Staa⸗ tes geleitet, zuerſt nach Macedonien kam, von da nach Gicis tier, Wohnfibe fuchend, gelangte, von Sicilien her mit ſei⸗ ner Flotte Das Laurentifche Gebiet erreichte; auch Die: fer Dre heißt Troja. Als die hier gelandeten Trojaner, weil ihnen von der beinahe unermeßlichen Irrfahrt nichts ars Waffen und Schiffe übrig waren, Beute von dem plat- ten Zande wegtrieben, fo eilten der König Latinus uud Die Aboriginer, welche Damals jene Gegenden inne hatten, die Gewaͤltthätigkeit der Ankömmlinge abzuwehren, bewaffnet aus Stadt ‚und Land herbei. Von nun an iſt die Sage gedoppelt. Nach Einigen ſchloß Latinus, erſt nachdem er im Treffen befiegt worden, Srieden mit Aeneas und bald Derwandtfchaft; nach Andern trat, als die Heere geordnet fanden, ehe zum Angriffe geblafen wurde, Latinıs in Mitte der Vornehniften vor, und rief den Führer der An— koͤmmlinge zu einer Unterredang heraus; fragte dann, Wer fie feyen, woher, oder durch welches Geſchick fie aus ih— rer Heimath ausgezogen, desgleichen, in welcher Abficht fie im Laurentiſchen gelandet hätten; und als er vernahm, die Schaar ſeyen Trojaner, ıhr. Führer fen Weneas, Sohn

des Anchiſes und der Venus; aus der verbranuten Hei-

math und Wohnung flüchtig, fuchen fie einen Wohnſitz und einen Ort, zu Gründung einer Stadt; fo bemwunderte er,

16 Livius Romiſche Gefchichte. J

wie des Volkes und des Mannes edle Abkanft, fo ihren zu Krieg oder zu Frieden gleich gefaßten Sinn, und reichte diefem zum Unterpfande künftiger Freundſchaft die Ya. . Darauf ſchloßen die Fürften einen Bund, es begrüfiten ſih

bie Heere. Aeneas habe als Gaftfreund bei Latinng ge: wohnt. Hier vor ben heimiſchen Göttern habe Latinus zu

dem Völkerbunde nody einen Hausverein gefügt, indem ar

feine Tochter dem Aeneas zur Ehe gegeben. Dieſes Er: eigniß jeden Falls beftärkt die Trojaner in ber Hoffnung, endlich in feſtem und ſicheren Wohnſitz ihre Irrfahrt zu en⸗ den. Ste bauen eine Stadt. Aeneas nennt dieſelbe Lavi⸗ niam na feiner Gattin. Bald entfproßte and, ver neuen Ehe ein Sohn, welhem die Eltern den Namen Ascanius gaben. | | Ä

3. Darauf wurden die Aboriginer und die Trojaner zugleich feindlich angegriffen. Zurnus, König ber Rutu« fer, welchem vor Aeneas Ankunft Zavinia zugefagt worden war, hatte, beleidigt, daß ihm ein Fremdling vorgezogen worden, fowshl mit Aeneas als mit Latinus Krieg ange⸗ fangen. Keines von beiden Heeren zug fröhlich aus diefem Kaumpfe ab. Die Rutuler wurden beflegt ; die fliegenden Aboriginer und Zrojaner verfpren ihren Führer. Katinus. est nahmen Turnus und die Rutuler, im Gefühl ihrer Schwäche, ihre Zuflucht zu der blühenden Macht ber Etrus- er und deren Könige Mezentius, welcher, in Eäre, einer

damals mächtigen Stadt, herrfchend, und glei von Ws fang an Feineswegs erfreut über den Urfprung ber neuen

Stadt, jebt aber, bedenklich über das für die Sicherheit

der Nachbarn wie er glaubte, allzu große Wachs thum der

Erſtes Buch. 17 Nejaniſchen Macht, ohne Anſtand feine Streitmacht mit den Rutulern vereinigte. Um für einen fo furchtbaren Krieg de Ahoriginer an fid) zu feileln, nannte Aeneas beide Vol⸗ ter, damit alle nicht nur einerlei Gebieter, fondern auch eis nerlei Namen Hätten, Latiner. Wirklich gaben and) von nun ar die Aboriginer an Ergebenheit und Treue gegen den Kö⸗ nig Aeneas den Trojanern nichts nad. Und im Vertrauen auf diefen Geiſt, der mit jedem Tage mehr in einander ver: ſchmelzenden beiden Völker führte Aeueas, obgleich Etrurien ſo maͤchtig war, daß es bereits nicht bloß die Laͤnder, ſon⸗ dern auch das Meer, durch Italiens ganze Länge bin, vom den Alpen bis zur Gicilianifhen Meerenge mit dem Ruhme feines Namens erfüllt hatte, dennoch fein Heer hinaus in den ' Streit, wiewohl er den Angriff hinter den Mauern hätte ab⸗ : treiben können. Glücklich war ‚darauf das Treffen für die Latiner, für Aeneas aber die leute feiner Thaten unter deu Sterblichen. Er liegt, wie man ihn aud) heißen darf und. fol, jenfeits am Fluſſe Rumicine. Jupiter Indiges nennen fie ihn. 5 3. Noch war Aeneas Sohn, Ascanius, zu jung für die Regierung; doch blieb diefe Regierung ihm unangetaftet, bis zur Volljaͤhrigkeit. Unterdeſſen wurde durch weibliche Vormundſchaft fo große Eigenſchaften befaß Lavinia! der Latiniſche Staat und der Thron des Großvaters und des Vaters dem Junglinge erhalten. Ich will ed unent⸗ ſchieden laſſen denn Wer möchte in einer ſo alten Sache etwas für gewiß behaupten? ob es diefer Ascanius war, oder ein Älterer als diefer, von Erenfa von Iliums Unter gange geboren, der Gefährte feines Waters auf ber Flucht, Sivins, Aſ Bochn.

ı8 Livius Möueifche efchicte.

berfelbige, welchen, auch Julus genannt, dad Julifihe Ge lchlecht den Gtifter ſeines Namens nennt. Diefer Ascanius, ws er min und von weicher Matter er geboren fen (wenig⸗ Mens Aeneas Sohn war er beſtimmt), überlieh, als die Bolkemenze in Lavinium zu groß wurde, die für jene Zeit

(on biühende und mächtige Stadt feiner Mutter oder Stief⸗ mutter; er ſelbſt aber gründete eine andere neue am Fuße des Albanerberges, welche von ihrer am Bergruͤcken Rah bin: - ziebenden Lage Alba⸗Vonga genammt wurde. Zwiſchen der Gründung von Lavinium und der Pflanzſtadt Alba » Longa verfloßen kaum dreißig Jahre. Und doch war die Macht alſo gewachſen, beſonders durch He Beſiegung der Geruster, daß wicht einmal gleich nach dem Tode des Aeneas, und auch wicht ſpaͤterhin, während der weiblichen Vormundſchaft, und fo lange der Füngling herrſchen lernte, Mezeuntius und Die Cerusker, der irgend andere Nachbarn die Waffen zu ers greifen magten. Im Frieden war man dahin überein ges kommen, daß zwilchen den Etrustern und Latinern ber Fluß Albula, jebt Ziber genannt, die Sränze ſeyn ſollte. Darauf war Silvind König, Sohn des. Ascanius, durch einen Zus fall im Walde geboren. Diefee zeugte den Aeneas Silvius. umb Diefer den Latinus Silrius. Don ihm wurden einige Dilanzörter angelegt, die Alt-Lotiner genannt. Der Beiname Gitvins: biiab von unn an allen Königen von- Alba. Latir ans zeugte den Alba, Alba den Atys, Atys den Capys, Ca⸗ gu6:.den Eapetus, Eapetus den Ziberinus, welcher beim Ue⸗ berfepen über den Fluß Albula ertrank und dabusch- dem Ziuffe den bei der Nachwelt berühmten Namen gab: af

Libesinne folgte fein SGohn Agrippa, auf Agrippa Romulus

Erſtes Buch. 29 Ehvins, als Erbe der vaͤterlichen Herrſchaft. Wem Mite getroffen, bie er den Thron anf Aventinus, der, 7 dem Hügel, weicher jeht ein Theil der Stadt Rom if, ber graben, demfelben den Namen gab. Darauf war Proca Kö« nig, diefer zeugte ben Numiter und Amulius. Dem Numi⸗ tor, als dem älteren, vermachte er den ‚alten Thron dei Sil viſchen Geſchlechtes. Jedoch Gewalt vermochte mehr ald des Baters Wille, oder Achtung für das ter. Amulius ver⸗ reiht feinen Bruder und wird König; zu biefem Verbrechen fügt er noch ein zweites, er rottet den männlichen Stamm feines Bruders aus; der Tochter des Bruders, Rhea Gilvia, raubt er, unter dem Schein einer Ehrenauszeichuung indem er. fie zus Veſtalin wählt, durch Icbenslänglichen Innglranen⸗ fand die Hoffnung, Mutter zu werden.

4. Doch ein Werk des Schitkſals, mie ich glaube, war der Urſprung einer fo großen Stabt und der Anfang des nachſt der Macht der Götter größten Reiches. Die Veßa⸗ Hin, mit Gewalt übermannt, gebar Zwillinge, und gab, ent weder weil fie ed glaubte, oder weil es ehrenhafter war, Die Schnuld auf einen Gott zu fdyieben, ben Mars als Water der ungewiflen Gprößkinge au. Aber weder Gotter und Menſchen ſchütten ſowohl fie als ihre Kinder gegen die Grau⸗ - famleit des Königs; bie Priefterin wurde gefeſſelt in's Ge⸗ fängniß geworfen, die Knaben befahl er in ben Serom zu werfen. Durch eime oküdticdhe Schidung der Götter war ges rade dazumal bie Ziber andgetreten, und bilbete an item Mfern wicht tiefe Sümpfe, fo Daß man nirgends au den ei⸗ sentlichen Strom gelangen konnte; die Zuäger aka baiikam, Daß die Kinder auch im feichteften Magier estzinten würden.

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20 Livius Rodmiſche Geſchichte.

Uiſo ſeßten fie, als genügten fie damit dem königlichen Bes .feble, in der naͤchſten Lache, da wo jest der Rminaliſche Feigenbaum (ex fol der Romulariſche geheißen haben) ſteht, die Knaben aus. Weite Eindden waren“ damals in dieſen Gegenden. Die gewöhnliche Sage ift, als beim Ablaufen Des feichten Waflers die ſchwimmende Wanne, worin die Kinder ansgejegt waren, auf dem Boden feſtgeſeſſen, babe eine därftende Wölfin aus den nahen Bergen ihren Lauf dem Bimmern. dere Kinder zugewendet, und nun denfelben fo milde ihre vollen Bigen hingehalten, Daß der königliche Ober: birte fie, die Knaben mit der Zunge leckend, angetroffen. Kauftulus fol er geheißen haben. Von diefem feyen fie nadı dem Viehhofe feiner ran, Larentia, zum Auferziehen ges bracht worden.‘ Nach der Meinung Anderer wurde Larens ta, weil fie Vielen ſich Hingab, unter den Hirten Zupa ges nannt; und daraus ſey die wunderbare Sage entſtanden. So geboren und fo erzogen, wuchfen fie kaum heran, als fie ährig in den Höfen, rührig bei den Heerden, als Jäger die Bergwälder umber durchſtreiften. Dadurch an Leib und "Seele geftärkt, wagten fie bald ſich nicht blos an wilde Thiere, fondern griffen auch mit Beute beiadene Räuber an, vertheife ten ihren Raub unter die Hirten, und trieben mit diefen, während mit jedem Tage die Schaar der Zünglinge zunahm, - Eruſt und Scherz. B

: 5. Schon damals foll das jetzige Feſt ſpiel Lupercal auf dem Palatiniſchen Berge gefeiert, und von einer arcadifchen Stadt Pallanteum der Berg Pallantium, fpäter Palatium genannt worden feyn. Hier habe Evander, welder, ein Ar⸗ cadier aus jenem Stamme, Tange vorber diefe Gegeud inne

Erſtes Bud. Ä 22 gehabt, die aus Arcadien mitgebrachte Feierlichkeit angeord» net, daß nadıe Jünglinge, dem Lycaiſchen Pan, weichen die Römer fpäser Inuus nannten‘, zu Ehren, unter Poſſen und Muthwillen herumliefen. Während vieles Spieles, deſſen Jah esfeier bekannt geweſen, hätten die Räuber, zürnend über den Verluſt der Beute, ihnen aufgelauert, und, indeß Romulus mannhaft ihrer fidh erwehrete, den Remus gefane gen, den Befangenen dem König Amulius axsgeliefert, und noch dazu verklagt. Vorzüglich legten fie ihnen zur Laſt, daß diefe Beiden in Numirors Ländereien einf.len, und mit einer Rotte junger Leute dort wie Feinde plündern. Ge ward Remus dem Numitor zur Beftrafung übergeben. Won Anfang an harte Fauſtulus vermucher, Pöniglihe Gprößtinge in feiner Wohnung zu erziehen. Denn nicht nur wuß'e er, daß der König die Kinder hatte ausfegen laffen, fondern auch, daß die Zeit, wo er jene mit nach Haufe genommen, ganz damit zufommentreffe. Jedoch zu frühe, wofern nicht ' Gelegenheit es fügte, oder Noth ihn Zwänge, hatte er die Sache nicht Bund werden laflen wollen. Die Noth trat früs der ein. Don Furcht gedrängt, entderte er Alles dem Ro⸗ mulus, Zufällig war auch in Numitor, als er den Remus gefangen hielt und hörte, es fenen Zwillingsbrüder, duch Erwägung ihres Alters und ihrer fo gar nicht kuechtiſchen Ginnesart, das Andenken an feine Eukel erwacht, nnd er dam durch Nachfragen fo weit, daß er nahe daran war, dem Remus zu erfennen. Go entipann fid, von allen Geiten ein geheimer Anfchlag gegen den König. Romulus drang, nicht mit .eıner Schaar junger Männer (denn zu offener Bes walt war er nicht ar? genug), fondern, indem er bie Hir⸗

20 Livius Romiſche Geſchichte.

fo ſeßten fie, als genügsen fie damit dem koͤniglichen Bes fehle, in der naͤchſten Lache, da wo jetzt der Ruminaliſche Feigenbaum (er fol der Romulariiche geheißen haben) ſteht, die Knaben and. Weite Eindden waren damals in dieſen Gegenden. Die gewöhnliche Gage ift, als beim Ablaufen des ſeichten Waflers die ſchwimmende Wanne, worin die Kinder ausgeſetzt waren, auf dem Boden feſtgeſeſſen, babe eine därftende Wölfin aus den nahen Bergen ihren Lauf dem: Bimmern der Kinder zugewendet, und nun bdenfelben fo - milde ihre vollen Biken hingehalten, daß der königliche Ober: birte fie, die Knaben mit der Zunge ledend, angetroffen. Bauflulus fol er geheißen haben. Von diefem feyen fie nad dem Viehhofe feiner Fran, Larentia, zum Auferziehen ges bracht worden.‘ Nach der Meinung Underer wurde Larens ta, weil fie Vielen ſich hingab, unter den Hirten Zupa ges nannt; und daraus ſey die wunderbare Sage entſtanden. So geboren und fo erzogen, wuchſen fie faum heran, als fle rührig in den Höfen, rührig bei den Heerden, als Jäger die Bergwälder umher durchfireiften. Dadurch an Leib und "Seele geftärkt, wagten fie bald fid) nicht blos an wilde Thiere, fondern griffen auch mit Beute beladene Räuber an, vertheils ten ihren Raub unter die Hirten, und trieben mit dieſen, während mit jedem Tage die Schaar der Jünglinge zunahm, Eruſt und Scherz. 2 =: 5. Gchon damals foll das j jetzige Feſtlpiel Lupercal auf dem Palatiniſchen Berge gefeiert, und von einer arcadiſchen Stadt Pallanteum der Berg Pallantium, fpäter Palatium genannt worden ſeyn. Hier habe Evander, welcher, ein Ar⸗ cadier aus jenem Stamme, lange vorher dieſe Gegend inne

Erſtes Bud. Ä 2. gehabt, die aus Arcadien mitgebrachte Feierlichkeit angeord⸗ net, daß nadıe Jünglinge, dem Lycäifhen Pan, weihen bie Hömer ſpäter Inuns nannten, zu Ehren, unter Doffen und Muthwillen herumliefen. Während dieſes Spieles, deſſen Jah esfeier bekannt geweſen, hätten die Räuber, zärnend über den Verluſt der Beute, innen aufgelauert, und, indeß Romulus mannhaft ihrer ſich erwebrete, den Remus gefan« gen, den Gefangenen dem König Amulius axsgeliefert, und nod) dazu verklagt. Vorzüglich legten fie ihnen zur Laſt, daß diefe Beiden in Numirors Ländereien einf.Uen, and mit einer Rotte junger Leute dort wie Feinde plündern. Go ward Remus dem Numitor zur Beltrafung übergeben. Wou Anfang an harte Fauſtulus vermurher, koͤnigliche Gprößlinge in feiner Wohnung zu erziehen. Denn nicht nur wußıe er, daß der König die Kinder harte ausfesen laffen, fondern auch , daß die Zeit, wo er jene mit nach Haufe genommen, ganz damit zufammentreffe. Jedoch zu frühe, wofern wicht : Gelegenheit es fügte, oder Noth ihn zwaͤnge, hatte er die Sache nicht Bund werden laſſen wollen. Die Noth trat früs ber ein. Bon Furchtt gedrängt, entdedte er Alles dem Ro⸗ mulus, Zufällig war aud in Numitor, als er den Remus gefangen hielt und hörte, es fegen Zwillingsbrüder, durch Erwägung ihres Alters und ihrer fo gar nicht kuechtiſchen Ginnesart , das Andenken an feine Eukel erwacht, und er Bam dusch Nachfragen fo weit, daß er nahe daran war, dem Remus zu ertennen. Go entipaun fi von allen Geiten ein geheimer Anfchlag gegen den König. Romulus drang, nicht mit einer Schaar junger Männer (denn zu offener Bes walt war er nicht ſtark genug), fondern, indem er die Hir⸗

. 22 Livlus Nömifche Gefchichte. Erſtes Buch.

ten einzeln, den einen anf diefem, den andern anf jenem‘

Wege zur feſtgeſetzten Zeit bei dem Palaſte eintreffen hieß, zum Koͤnig ein, und von Numitors Wohnung aus unter⸗ ſtütßzte ihm Remus mit einem andern bereitgehaltenen Haus fen. So erwürgten fie den König. |

6. Rumitor hatte bei dem erften Lärmen, unter dem, Borgeben, Feinde feyen in der Stadt eingedrungen, und ha⸗ ben den Palaſt angegriffen, die wehrhaften Albaner in die

Burg, diefelbe zu befegen und mit den Waffen zu vertheidi- |

gen, abberufen; als er aber die Fünglinge, nach vollbrach⸗ tem Morde, frohlodend auf ſich zueilen fah, rief er alſobald das Volk zufammen, und that demfelben die Verbrechen feis ned Bruders gegen ihn, die Herkunft feiner Enkel, wie fie geburen, wie fie erzogen, wie fie erkannt worden, und fofore den Tod des Zwingherrn, und daß er: denfefden angeftiftet habe, kund. Die FJünglinge aber, mit ihrem Gefolge mitten durch die Verſammlung eintretend, begrüßten ihren Großva⸗

ter als König, und der einflimmige Zuruf des ganzen Volkes.

beftätigte den Könige Namen und Herrichafe. Nachdem fle alfo dem Numitor den Thron von Alba Überlaffen, entftand in Romulus und. Remus der Wunſch, in der Gegend, we fie ausgefent, wo fie erzogen worden, eine Stadt zu gruͤn⸗ den. Auch war in Alba und Latium ein Veberfluß an Men⸗ fhen, dazu Famen noch die Hirıen, fo daß Aue zufammen wohl hoffen ließen, Klein werde Alba, Klein Lavinium gegen bie zu erbauende Stadt ſeyn. Bald aber trat zwifchen diefe

Entwürfe das angeerbte "Unheil, 'die Herrſcaſucht, und ein gräßticher Streit entftand aus der anfänglichen ganz gütli⸗ hen Uebereinkunft, daß, weil fle gZwilinge ſeyen und die

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Veh der &xb. Roms. Bor Ehr. eb. Wi. f. 33

RNuckſicht anf das Alter keinen AUusſchlag geben koͤnne, bie Götter, unter deren Schatze dieſe Gegend ſtehe, durch deu Bogelflug denjenigen bezeichnen ſollen, welcher der neuen Gtadt den Namen geben, welcher, nad) der Erbaunng, fie beherrfchen ſollte. Romulus wählt fi das Palatium, Res mus den Aventinus zur geweihten Höhe für die Vogelſchan.

7. Zuerſt fol dem Remus 'ein Dogelzeihen geworden ſeyn, ſechs Beier, und eben wurde das Zeichen gemeldet, ats dem Romulus die gedoppelte Zahl erfchienen war, und jeden fein Haufe als. König begrüßt hatte. Jene folgerten das Thronrecht aus der frähern Zeit, aber diefe aus der Zahl der. Vögel. Mit Wortivechfel traten fie jest zufammen, ber Streit der Erbitterung gieng über in bintiges Handgemenge, und im Getümmel wurde Remus erfchlagen. Die gemeinere Sage ift: dem Bruder zum Spotte fey Remus über die . neuen Mauern gefprungen, und deßwegen von dem erzürns ten Romulus, der fcheltend hinzugefügt: „das hinfort jedem, der über meine Mauern fpringen wird,’ getödtet worden. So erlangte Romulus die Herrſchaft allein; die erbaut? Stadt erhielt den Namen des Erbauers. Zuerft z0g er eine Mauer um das Palatinm, auf weichem er erzogen worben war. Den Göttern opferte er nach Albaniſchem Gebrauche, nach Griechiſchem nur dem’ Herkules, wie folhes von Evans der angeordnet war. Herkules ſoll in dieſe Gegenden, nad dem er den Gernon erfchlagen, die wunderfchönen Rinder ges trieben und am Ziberfinffe, da wo er, die Heerde vor ſich bertreidend, Kinübergefhwommen, an grasreicher Stelle, um durch Ruhe und fettes Futter die Rinder zu erfriſchen, fetbft andy mäde von der Wanderung, fich niedergelegt has

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24 Lwins Rdwiſche Geſchichte. Erſtes Such. ben. Als er hier, mit Speiſe und Mein beſchwert in tiefen

Schlaf verſanken, zog ein in der Nähe wohnender Hirte, mit

Namen Cacus, trogend auf feine Stärke und lüftern gemacht

durch die Schönheit der Rinder, in der Abficht, dDiefe Beute

zu entwenden, weil, hätte er bie Heerde vor fi her in feine Höhle getrieben, ſchon die Fußſtapfen den fuchenden Eigen⸗ thümer dahin geführt haben würden, die Rinder, je Die alerfchönften, rüdwärts an den Schwänzen in feine Höhle. Herkules, als ex, bei der etſten Morgenröthe erwachend, ſei⸗ ne Heerde überzählte und merkte, daß ein Theil fehle, gieng auf die naͤchſte Höhle zu, ob etwa die Tritte dahin führten. Doch weil. er diefe alle hinauswärts gehen und fonft nir⸗ gende zu hinführen ſah, ward er irre, wußte nicht, was er denken folle und fing au, ans dem unheims lichen Drte feine Heerde weiter zu treiben. Als hierauf ums ter dem Forttreiben einige Rinder, wie zu gefchehen pflegt, aus Sehnſucht nad) den zurüdgebliebenen brüllten, machte die Autwort der eingefchloffenen von der Höhle her, daß Her: kules umkehrte. Cacus, der ihm den Sugang zu der Höhle mit Gewalt verwehren wollte, ward, vergebens die Hirten zu Hülfe rufend, mit der Keule erſchlagen. Evander, ein Flüchtling aus dem Peloponnefus, regierte damals, mebr durch Unfeben als durch königliche Gewalt, diefe Gegenden; ein Mann, hochverehrt dur das Wunder der Schreibetunft, einer unter dem unwiffenden Volke gauz neuen Sache, nody werehrter durch den Glauben an die Göttlichkeit feiner Mut⸗ ter Carmenta, welde vor -der Ankunft der Gibylie iu Ita⸗ Ken diefe Stämme als Wahrfagerin bewundert hatten. Dies Be Evander, jetzt berbeigeführt durch den Auflauf ber Hir⸗

Jahr dan Erb. Roms. Bar Chr. Geb. 151. 8 |

ten, welche den eines offenbaren Todſchlages ſchuldigen

Fremdling in unruhiger Bewegung umgaben, fragte, als er

die That und ihre Urſache erfuhr und des Mannes über⸗ menſchlich herrliche und ehrfurchtgebietende Haltung und Ge⸗ ſtalt betrachtete, wer er ſey? Als er Namen, Vater und Va⸗ terland vernahm, ſprach er: „Willkommen, Sobn, Jupiters, Herkules! von dir hat meine Mutter, die wahrhaftige Spre⸗ cherin der Götter, mir geweiffaget, du werdeft die Zahl der Himmlifhen vermehren und dir werde ein Altar bier ges weiht werden, weldyen das einft. mädtigfte Volk der Erde „den Größten’’ nennen und nad) deinem Brauche ehren fol: fe. Da reichte ihm’ Herkules feine Rechte und fprad), er nehme die Weiſſagung an und wolle den Götterſpruch erfül⸗ len durch Grrichtung und Weihung des Altars. Nun ward das fhönfte Rind aus der Heerde ausgefucht, und ‚bier zum erflenmale dem Herkules geopfert, indem zum heiligen Dienft und Mable die Potitier und Pinarier, damals die angefes benften Gefchlechter in Diefer Gegend, berufen wurden. Durch Zufall fügte ſich's, daß die Potitier zur rechten Zeit erfchies

nen, ihnen alfo die Eingeweide vorgefest wurden, die Pina⸗ tier, als die Eingeweide verzehrt waren, zung übrigen Mahle

famen. Seitdem blieb die Einrichtung, fo lange das Pina» . zifche Gefchlecht beſtand, daß fie von den Eingeweiden bes Feſtopfers nicht een durften. - Die Patitier, von Evander

unterrichtet, blieben Vorſteher diefes heiligen Dienftes viele

Menichenalter hindurch, bis das ganze Geſchlecht der Poti⸗ tier unterging, als fie dieſes Priefteramt ihres Haufes durd) Öffentliche Sclaven verfehen: ließen. Died war der einzige ausländische Götterdienfl, den Romulus jept aufnahm, ſchon

26 Nvius Rbmifche Geſchichte. ein Buch. Bamald ein Berehrer durch Heldenmuth errungener Unſterb⸗ fichbeit, au welcher ihn fein eigenes Schickſal leitete.

8 Nachdem er den "Wötterbienst ‚gehörig eingerichtet, berief er die Menge, welche nur durch Geſetze zu einem Volksganzen zuſammenwachſen Ponnte, und gab ihr eine Berfaffung. Uebergengt, daß diefe nur dann bem rohen Men: fyenfchlage heilig feyn werde, wenn er ſich ſelbſt durch die Kenngeichen der Herrſchaft ehrwärdiger mache, umgab er fi mit einem ehrfurchtgebietenden Aeußern, namentlich dadurch, daß er zwölf Lictoren anyahm. Nach der Meinung Einiger entfchied er fich gerade für diefe Anzahl wegen der Zahl der Wögel, weiche ihm durch ihren Flug die Bönigliche Herrſchaft zugewieſen hatten ; ich trete gerne der Anficht Derjenigen bei, welche die Aufwärter und diefe Urt derfelben, deßgleichen ihre Zahl, von den benachbarten Etrustern, woher der elfen⸗ beinerne Stuhl, woher die verbrämte Toga kam, ableiten, und nach welchen es die Etruskern darum fo gehalten ,- weil ihrem aus den zwölf Völterfchaften gemeinfchaftlicdh gewähls - ten Könige jede Völkerſchaft Einen Lictor gegeben habe. Unterdefien wuchs die Stadt dadurch, daß man einen: Pag nad) dem andern in die Umfchanzungen zog, indem man den Umfang der Mauer mehr für die Bevölkerung, welche man kuͤnftig hoffte, als für die damalige Menſchenzahl berechnete, Darauf eröffnete Romulus, damit die Größe der Stadt nicht zwecklos wäre, am eine Menge Menſchen herbeizufuden, nad) der alten Weife der Gtädtegränder, weldhe einen veracdhteten and niedrigen Haufen an fid) zogen, und dann vorgaben, die _ Erde Habe innen Sprößlinge geboren, an der Stelle, weldye fegt, wenn man zwifchen den „zwei Hainen“ heruntergeht,

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Fahr der Erb. Rome. Bor Ehr. Geb. But 7 !

versäunt ift, eine Freiſtaͤtte. Dahin floh aus Ben benach⸗ darten Völkern alles ohne Unterfchied, Freie umd Schaven, Was nur eine Veränderung feiner Lage wünfchte; und dieß war der erfie Kern für die begonnene Größe. Tebt, als er fih feiner Kräfte nicht zu fchämen hatte, forgte er für eine Zeitung diefer Kräfte; er wählte Hundert Senatoren, entwes der weil diefe Zahl hinreichte, oder weil nur hundert vorhans den waren, welche zu Baͤtern erwählt werben konnten. Va—⸗ ter wenigftens wurden fie von ihrer Würde, und Patricier wurden ihre Nachkommen‘ genannt.

9 Schon war der Römifche Staat fo ſtark, daß er jes dem Nachbarvolk im Kriege die Spitze bieten Bonnte, aber aus Mangel an Frauen konnte die Größe nur ein Men⸗ fchenafter dauern. Denn fie hatten weder zu Haufe Hoff: nung zu Nachkommen, noch Wechſelheirath mit den Nach⸗ barn. Da fchicte, auf den Rath der Väter, Romulus ©es fande an. die ummohnenden Völker, für das neue Volk um Bundniß und. Wechfelheirathsrecht zu bitten: „Auch Städte wachſen, wie Alles, von unten auf; welche dann in eigener Mannhaftigkeit und in, den Göttern eine Stüge finden, die erringen große Macht und großen Namen. Er wille gewiß, daß den Urfprung Roms die Götter begänffigt hätten, und daß Mannhaftigkeit nicht fehlen werde; darum möchten fie

fi) nicht weigern, ald Menfchen mit Menfchen Blut umd Geſchlecht zu vermiſchen.“ Nirgends wurde der Antrag freundlich aufaenommen; fo fehr veradyteten die Nachbarn -Rom und fürchteten zugleich für fi) und ihre Nachkommen ‚die große in ihrer Mitte aufſtrebende Macht. Don den Meiften vonrden die Gefandten mit der Frage abgefertigt, ‚ob

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38 Lipius Romiſche Geſchichte. Gries Buch.

fie auch für Frauen eine Freiſtätte eröffnet hätten ? Das würde erſt eine gleiche Ehe geben.” Dieb verdroß die jun« sen Römer, umd entfchieden neigte ſich die Sache zur Ges walt. Um für diefe Gelegenheit und Spielraum zu geben, verbarg Romulus feinen Aerger, und veranftaltete abfichtlich

feierliche Spiele dem Roffeichaffenden Neptun zu Ehren; es

nannte fie das Eonfusfell. Darauf. ließ er den Nachbarn das Schaufpiel anfagen, und die Yeftanflalten waren, um Aufſehen und Erwartung zu erregen, fo groß, ald man in jener Zeit nur immer wußte oder vermochte, Viele Menſchen firömten herbei, auch aus Begierde, die neue Stadt zu fes ben, befonders die Altermächften ,- aus Cänina, Eruftumium und Antemnd. Bald kamen au ganze Haufen Sabiner mit Beib und Kind. Gie wurden gaftfrei in die Häufer einges laden, und wunderten ſich, als fle die Lage der Stadt, ihre Mauern und vielen Häufer jahen, wie Rom in fo kurzer Zeit gewachfen fey. Als die Zeit des Schauſpiels kam, und , Aug: und Siun darauf gerichtet war, da brad), nad Ders abredung,, die Gewalt los, und auf ein gegebenes Zeichen eilten die jungen Römer dahin und dorthin, Jungfrauen zu rauben. Ein großer Theil derfeiben wurde ohne Wahl ges raubt, Wen jede zufällig in die Hände fiel; einige vorzüglich fchöne, für die Senatoren auseriehene , lieferten Leute aus dem Volke, denen es aufgetragen war, in die Häufer der⸗ felben. ine, die an Geftalt und Schönheit die andern weit übertraf, ſoll von der Rotte eines gewiſſen Talaſſlus geraubt

worden und, als Viele fragten, Wem ſle dieſe zuführen, ein⸗ mial über das andere, damit ſich Niemand an ihr vergreife, gerufen worden fenm: „dem Talaflus !“ Davon ſey dieß ein -

'

Mad RomsCrb. 4. Vor Ehr. Geb. 466 f. 29 bochzeitlicher Zaruf geworden. Als das Spiel durch dieſen Schrecken geſtört war, fiohen kummervoll die Eltern der Jungfrauen, mit lauter Klage über die Verlegung des Gaſt⸗ xechts, und den Gott anrufend, ‚zu deffen Feſt und Spielen fie, durd) den Stauden an Heiligkeit und Treue getäufcht, gefommen feyen. Eben fo troflos und eben fo erzürnt was ren die Gerarbten; aber Romulus ſelbſt gieng zu ihnen im die Häufer und ftellte ihnen vor :. das habe ihrer Väter St - gethan, welche ‚ihren Nachbarn Wechſelheirath abgeſchlagen hätten; fle jedoch würden Ehefrauen feyn, und alle Güter, das Bürgerrecht, und das Theuerfte, was der Menſch Haben könne, die Kinder, mit ihren Männern gemein haben. Gie möchten nur ihren Zorn befänftigen, und denen, welchen die Fügung ihren Leib gegeben hätte, ihr Herz geben. Oft fey aus Unrecht nachher Suneigung entflanden, und fie würden am fo beſſere Männer ‘Haben, weil jeder eifrig ſich beftreben werde, had) Erfühung deffen, mas ihm obliege, auch ihre Sehnſucht nad) Eltern und Heimath zu flilen: Dazu Samen die Liebkoſungen der Männer, welche ihre That mit der KHeftigkeit ihrer Liebe entſchuldigten, Bitten, welche auf weib⸗ liche Herzen fo viel Eindruck machen.

0. Schon waren die Geraubten ganz leidlich befänfs tigt: aber ihre Eltern febten eben jest in Zrauerkleidern, mit Zhränen und Klagen ihre Mitbürger in Bewegung, Und nicht blos auf ihre Heimath befchränten fie die Aeuße⸗ zungen ihres Unwillens, fondern fie ftrömten bon allen Sei, sen her zu Titus Tatius, dem Könige der Sabiner, und Geſandtſchaften trafen bei ihm, weil. der Name Tatius in dieſen Gegenden in großer Achtung ſtand, zu ſammen. Es

do - Linins Minkifihe Geſchichte. Erſtes Merth. waren bie Cininer, Eruſtuminer und Antemnaten, weiche ein. Theil des Unrechts getroffen hatte. Ihnen fchienen Zar tins und bie Gabiner allzu Iawafam zu haudeln. Für fich allein rüften ſich die drei Volker gemeinfam zum Kriege.

Alber auch die Ernfluminer und Antemnaten rähren fid) den

higigen und ergrimmten Caͤninern nicht zafcd) genug; darum wacht, was Eäniner heißt, auf feine Fauſt einen Einfall in die NRömifhe Mark. Uber den ordnungslos weit und breit Verwüuſtenden ſtellt ſich Romulus mit einem Heer entgegen, und lehrt fie im leichten Kampfe, daß unmächtiger Zorn nich⸗ Kg ſey; er fchlägt ihr Heer in die Zucht, verfolgt das ge⸗ fchlagene, tödtet im Zreffen ihren König und ‘zieht ifm feine

Rüftung aus, erobert, nachdem der feindliche Heerführer er⸗

ſchlagen ift, die Stadt im ırflen Anfall. Hierauf führte er des fiegreiche Heer zurüd und flieg als ein Mann, welcher nit nur groß in Thaten war, ſondern and) nicht minder feine Thaten zu zeigen wußte, die Näftung bes erichlagenen

feindlichen Führers an einer eigens dazu verfertigten Trag⸗

fange emporhaltend, anf das Capitol, legte dieſelbe dort bei der. den Hirten heiligen Eiche nieder, bezeichnete zugleich mit dem Weihgeſchenk den Platz für einen Tempel Jupiter und aab dem Gott einen Beinamen. „Jupiter Feretrius, ſprach er, dir bringe ich, König Romulus, dieſe königliche Waffen⸗ raſtuug ats Gieger dar, und weibe bir einen Tempel auf dem Raume, den id) eden im Geiſte ausgemeffen habe, zur

Mederlage für die Sprenrüftungen erſchlagener Könige 3 Feldherrn der Feinde, welche nach meinem Vorgange die Nachkommen darbringen werben.‘ Dieß iſt ber Jirfpenug des allererſden Tempels, weldyer in Rom geweibet wurde.

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Moech Roms Erb. 4. Vor Che. @. 46f. 38 Die Götter aber wollen in der Folge, daß weder bie Ver⸗ heißung des Erbauers diefes Tempels unerfüllt bleibe, noch des Geſchenkes Ruhm durch Die Menge der Theilhaftigen ge⸗ wein werde. Nur zwei Ehrenruüſtungen wurden nachher, im Saufe fo vieler Fahre, bei fo ‚vielen Kriegen, errungen; fo felten war das Glück diefer Epre.

20. Während die Römer diefes bier ausführten, benüpte ein Heer Antemnaten die Gelegenheit, dab Niemand ibm eutgegenſtand, und machte einen feindlichen Einfall in die Roͤmiſchen Grenzen, Flugs wurde auch gegen diefe die Rö— miſche Wehrmannſchaft geführt und überrafchte den anf dem Lande herumfchweifenden Feind. Geichlagen ward er alfo deim erften Angriff und Feldgefchrei; feine Stadt wurde er: abert. Als nun über den geboppeisen Gieg frohlodend Nur . murns eingeg, bat ihn feine Gemahlin’ Herſtlia, mit Bitten non den Geraubten beflürmt, ihren Eltern zu verzeihen und fe als Bürger aufzunehmen; fo könnte ber Staat durch Eintracht erftarten. Gerne wurde dieß.gewäßrt. Dann zog er gegen die einfallenden Eruftuminer aus. Ser war des Kampfes noch weniger ; denn-über den Wiederlagen der Nach⸗ barn war ihr Muth gefunden. Nach beiden Orten wurden Auſiedler geſchickt. Größer: war Die Zahl derjenigen, welche ſich für das Eruſtuminiſche meldeten, wegen der Fruchtbare keit des Bodens. Auch zogen viele von da nad Rom, bes fonders Eltern und Verwandte ber Geraubten. Zulegt grifs fen and) die Sabiner zu den Wuffen, und Liefer Krieg war bei weiten ber bedeutenoſte. Denn fie ließen ſich in« nichss darch Zorn. und Leidenſchaft leiten, und zeigten den Krirz wit eher, Ms bis He Ahn drachten. Ja zum durchdachten

3a Livius Mbmifche Geſchichte. Erſtes Buch. Diane gefelite ſich unoch if. Spurius Zarpeius hatte den

"Befehl in. der Römifchen Burg. Geine unverheirathete Toch⸗

ter beſtach Tatius mit Gold, Bewaffnete in die Burg einzu⸗ laſſen; fie war gerade aus der Veſte gegangen, um Waller zum Opfer zußholen. Die Eingelaffenen warfen fle mit. ih— ren Scilden todt zu Boden, entweder damit die Burg mit Gewalt genemmen fcheine, oder um ein Beifpiel aufzuftellen, dan nirgends ein Verräther-auf Treue rechnen dürfe. Man fügt der Sage bei, weil die Sabiner insgemein fchwere gofs

dene Spangen am linken Arme, und fchöne, mit Edelſteinen

befebte Ringe getragen hätten, fo habe fich die Römerin aus⸗ bedungen, was ſie an ber linken Hand trügen; auf dieſes hin feyen , ſtatt der ‚goldenen Geſchenke, die Schilde auf fie geworfen worden: Manche behaupten fie habe, mit Bert» fung auf die Uebereinkunft: ihr, was ſich an der linken Hand befinde, zu.geben, ausdrücklich die Waffen ‚verlangt, und weit man dieß für Hinterlift gehalten, ſey fie mit ihrem eigenen Lohne getödtet worden.

ı2. Genng, die Gabiner hatten die Burg, und zogen ans derfelben am folgenden Tage, als das Römiſche Heer fdylagfertig die Niederung. zwifchen dem Palatinifchen und Eapitolinifhen Hügel ausfüllte, nicht eher in die Ebene her⸗ ab, als bis die Römer durdy Unwillen und durch Begierde,

ihre Burg wieder zu erringen, geſtachelt, gegen fie hinaufs

ruͤctten. Worfechter- befenetten beiderfeitd den Kampf, bei

J

ven Sabinern Mettus Curtius, bei den Römern Hoſtus Ho⸗

ſtilins. Dieſer hielt die Sache der Römer on ungünſtiger Stelle in der Voderhut durch Muth und Kühnheit aufrecht.

Als Hoftus fiel, da wankte alfobald die Römifche Schlacht⸗

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Nach Roms Erbauung5. Vor Chr. Geb. 747 ff. 35

linie und wurbe bi6 an’s alte Thor des Palatiums zurück⸗ geworfen. Da bob Romulus, etenfalls vom Strudel der Fliehenden mit fortgeriflen, die Waffen zum Himmel empor und fprady: „Jupiter, auf deiner Vögel Befehl habe ich hier „auf dem Palatium den erſten Grund- zur Stadt gelepf. „Schon haben die Sabiner die mit Frevel erfaufte Burg. „Aus ibr eilen fie bewaffnet, über das zwifchen liegende Thal „binweg, hieher. Aber du, Vater der Gdtter und Menfchen, „von hier wenigftens treibe die Feinde ab, nimm den Rs „mern ihre Furcht und hemme die fchändliche Flucht. Hier „gelobe ich dir ale Jupiter Staror einen Tempel, der ein „Denkmal fey den Nadytommen, daß durdy deine fihtbar wal⸗ „tende Hülfe die Stadt gereftet worden. Alſo betete er und ſprach, als fühlte er des Gebetes Exrhörung: „Hier, „Römer, heißt der gute und große Jupiter Stand halten, „und den Kampf erneuern.” Die Römer, wie durdy eine himmliſche Stimme aufgefordert, fanden. Romulus ſelbſt eilt vor in die vorderſte Reihe. Mettus Curtius war an der ‚Spige der Sabiner von der Burg herabgerannt, und hatte die Römer über den ganzen Raum des Forums vor ſich her⸗ geſcheucht, ſchon ſtand er nicht mehr ferne vom Thore des ‚Dalatinms, vufend: „Wir haden fie beſiegt, die treufofen Wirthe, die memmenhaften Feinde! Nun willen fie, daß es ein anderes ift, Maͤdchen rauben, und mit Männern fedy ‚sen. Auf ihn, als er fo frohlodte, drang mit einer Rotte - ber kühnſten Männer Romulus ein. Mettus focht gerade zu Pferde, um fo leichter war er zurückzuwerfen; die Römer fegen dem Zurüdgeworfenen nach; und das übrige Römiſche Schlachtheer, durch die Kühnheit feines Koͤnigs angefenert, Sivind. 16 Bochn. 3

J

34 Reine Nomiſche Seſchichtr. Erfies Buch.

wirft Die Gabiner zurutk. Mvetus ſtuͤrzte ih, da fein Pferd durch den Lärm der Rachſetzenden ſchen wurde, in einen Sumpf; und die Gefahr eines fo bedeutenden Mannes hafte ach die Gabiner hingezogen. Doch unter dem. Suminten und Zurufen der Seiten, ermnthige durch den liebevollen Antheil fo Bieler, arbeitete ex fir wieder heraus. Die Rö⸗ mer und Gabiner ernenerten im Thale zwifchen den zwei Bergen den Kampf; aber die Römer waren im Vortheil. 13. Da wagten die Sabinifchen Frauen, aus deren Miß⸗ handlung der Krieg eutſtanden war, mit fliegenden Haaren und gerriffenem Gewande der Jammer hatte die weibliche Furchtſamkeit beſſegt mitten unter die fliegenden Pfeile, quer eindrängend, fich hinein, zu trennen die feindlichen Hee⸗ ve, zu trennen die Erbitterten, hier zu den Vaͤtern, dort zu den Männern fiehend, fie möchten fich nicht, Schwiegernäter und Eidame, mit fluchwürdigem Blute beflecken; möchten nicht durch Greuelmord Schmad) bringen auf Die, welche fle geboren hätten, jene auf ihre Enkel, diefe auf ihre Kinder. „Wenn euch die Verwandtſchaft mit einander, der Ehebund nerdrießt, ‚gegen ung richtet euren Grimm, wir find bie Urfache des Krieges, wir, daß unfre Männer, unfse Väter verwundet und erfchlagen werden. Beſſer, wir ſterben, als wir leben ohne die Einen von euch, als Wittwen oder Wai⸗ fen. Das erfchättert die Menge, erfchüttert die Führer. Stille wirds ypröpfich und Ruhe. Nun traten die Führer vor, einen Vertrag zu machen, und nit nur Frieden ma» chen fie, fondern auch einen Staat aus zweien. Sie theilen die Eönigliche Würde mit einander; die ganze Regierung vers fegen fe nad) Rom. Damit aber.in der Bwillingefladt doch

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Nach Roms Erbauung 7. Bor Ehe. Geb. 745 ff.

auch den Gabinern eine Ehre würde, nannten fie ſich Qui⸗ riten nad) Kures. Sum Dentmale jenes Kampfes gab man . dem Drte, wo das Pferd des Eurtins, aus dem Sumpfe fi heraus arbeitend, ihn zuerſt auf eine feichte Stelle brachte, den Ramen „Lacus Eurtins.” Der frohe Friede, fo fchnell aus einem fo traurigen Kriege entfprungen, machte die Gas binerinnen ihren Mänuern und Vaͤtern, vornehmlid, aber derg Romulus felbft noch thenrer. Als er daher das Volk in breißig Eurien eintheilte, gab er diefen die Namen der⸗ felben. Das aber wird nicht gemeldet, ob'— da gewiß die Zahl der rauen viel größer, als dieſe war Alter, ob ihr eigener, oder ihrer Männer Stand, oder ob das Loos dieje⸗ nigen beftimmte, nad) welchen die Eurien benannt werden ſollten. Um diefelbe Zeit wurden auch drei Reitercenturien errichtet, eine nad) Momulus die Raumenfer, eine andere nady Titus Tatins die Zitienfer genannt. Woher bie Luce: res Namen und Urfprung erhalten, ift ungewiß. Don ber Seit an herrfchten die zwei Könige nicht nur gemeinfchaft: lich, fondern auch einträdhtig.

14. Einige Jahre darauf mißhandelten Verwandte bes Tatins die Gefandten ber Laurenter, und da die Lanrenter nady dem Bölkerrechte Genugthuung verlangten vermochten bei Zatius Vorliebe für die Geinigen nr Saiten mehr. Darum fiel die Strafe der Letzteren auf ibn; er wurde in Lavinium, wohin er zu einem Opferfeſte gekommen war, in einem Auflauf erfchlagen. Diefe That fol Romulus mins der übel, als fie es verdiente, aufgenommen haben, entweder weil Mitregenten fetten redliche Freunde find, oder weil er glaubte, dem Ermorbeten ſey kein Unrecht gefäreben. fe

36 Livius Mbmifche Geſchichte. Erſtes Buch. Krieg fing er wenigſtens nicht an; um jedoch die Mißhand⸗

lungen der Geſandten und den Mord des Königes zu ſühnen,

wurde das Bündniß zwifchen den Städten Rom und Lapi- uium erneuert. Go blieb unverhoffe mit diefem Volke Fries de; aber ein anderer viel näherer Krieg brady aus, beinahe vor den Thoren. Die Fidenaten, überzeugt, daß Die nahe Macht neben ihnen allzufehr erftarte, wollten, ehe fie fo furchtbar würde, als fidhtbar zu erwarten war, mit Krieg zuvortommen. Ihre Wehrmannfchaft fiel ein und verwüſtete Das Land zwifchen der Sadt und Fidend. Darauf wandten ſich diefeiben links, weil rechts die Tiber fie Hinderte, und ‚verbreiteten durch ihre Plünderungen Ungft und Flucht un⸗ ter den Landleuten; der plögliche Kriegslärm drang vom Lande in die Stadt und war fein eigener Bote. Aufgeflört eifte Romulus, denn ein fo naher Krieg erlaubte Feine Zö⸗ -gerung, mit dem Heere hinaus. Er ſchlug taufend Schritte von Fidenä ein Lager. In diefem ließ er eine Bleine Beſa⸗ sung, 309 mit dem ganzen übrigen Heere aus, hieß einen Theil der Krieger in der ringsum mit Gebüfchen dicht ver- wachfenen Gegend in Hinterhalt fich legen, brach mit‘ der

Mehrzahl und der ganzen Reiterei auf und lodte, wie er es

wünſchte, durdy feinen ftürmifchen und drohenden Angriff, indem er faft bis Hart au die Thore hinritt, den Feind ber- ans. Auch die verftellte Flucht, weiche im Plane laz, wurde

durch diefen Reiterangriff minder auffallend. Und als, wähs

rend die Reiterei zwifchen dem Entſchluſſe anzugreifen und zu fliehen verlegen zu wanken fchien, auch das Fußvolk zu: sädwid, da flürzten die Feinde plöglic, aus den vollen Tho⸗ zen, warfen das Hömifche Schlachtheer und geriethen, im Ei⸗

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Nah Roms Erbauung ı2. Vor Chr. Geb. 740 ff. 37

fer nachzufeben und zu verfolgen, ‚an den Ort des Hinter⸗ haltes. Aus diefem erhoben fi auf einmal die Römer und fielen den Feinden in die Seite. Auch die im Lager als Bex fagung Zurückgelaſſenen rüdten aus, und vermehrten "den Schreden. So von mehreren Seiten geängftigt , Pehrten die Sidenaten faft ehe noch Romulus und die ihn begleitenden Reiter ihre Pferde ummendeten, den Rüden, und viel eilis ger denn es war wirkliche Flucht rannten jetzt diejes nigen zur Stadt zurüd, ‚weiche fo eben noch den, ſcheinbar Fliehenden nadıgefegt hatten. Aber fie entkamen ihrem Fein⸗ de nicht. Ihnen auf der Ferfe folgend drang der Römer, ehe die Thorflügel zugeworfen werden konnten, wie in Einem Zuge mit hinein.

15. Darch des Fidenatiſchen Krieges anftedende Berüß: rung gereipt, machten die Vejenter theils ald Stammgenofs fen (denn audy die Fidenaten waren Etrusker), theild weil fchon dia Nähe der Lage fie aufforderte, wenn die Römifchen Waffen alle Nachbarn bedrohten, einen Einfall in die Romi: ſche Mark, mehr piündernd, ats in ordentlihem Kriege, Ohne alfo ein Lager zu ſchlagen, ohne das feindliche Heer zu er⸗ marten, Eehrten fie, mit der auf dem Lande geraubten Beu⸗

"te, nach Veji zurücd. ‚Der Römer hingegen, ald er den Feind

nicht auf dem Lande fand, ging, zum entfcheidenden Kampfe gerüftet und entfchloffen, über die Ziber. Als die Vejenter hörten, daß er ein Lager fchlage, und vor ihre Stadt rücken wolle, zogen fie ihm entgegen, um lieber eine Schlacht ent» ſcheiden zu laffen, als eingefchloffen Häufer und Mauern zu vertheidigen. Hier fiegte der Römiſche König, ohne. feine Kraft durdy eine Kriegstift zu unterſtützen, bies durch die

38 Livius Römilche Gefchichte. Erſtes Buch. Stärke feiner alten Krieger, verfolgse die gefchlagene Feinde bis an ihre Mauern; griff jedoch die dur ihre Mauern ſtarke und fchon durch ihre Lage fefte Stadt nicht an, ſon⸗ dern kehrte um und verheerte das Land mehr zur Rache, als aus Beuteluſt. Durch diefen Schaden eben fo fehr, als durch das verlorne Treffen, gedemüthigt, fchickten die DBejenter Abgeordnete nad) Rom mit der Bitte um Frieden. Gie mußten einen Theil ihrer Mark abtreten, und erhielten auf hundert Jahre Waffenftiliftand. Dieb find die Hauptereig⸗ niffe im Innern und im Felde, während Romulus König war; keines derfeiben widerfpricht dem Glauben an feine goͤttliche Abkunft und an feine Aufnahme unter tie Götter nad) dem Zode, nicht der Muth, mit welchem er dem Groß: vater die Herrfchaft wieder errang, nicht die Weisheit, mit welcher er die Stadt erbaute, und in Krieg und Frieden be⸗ fefligte; denn durch die Kräfte, welche diefe Grundlage ihr verlieh, ward fie fo ſtark, daß fie nad) diefem vierzig Jahre lang ſichern Frieden hatte. Bei dem Volke jedoch war Ro⸗ mulus beliebter, als bei den Vätern, am beliebteften aber bei den Kriegern, und dreihundert derſelben, von: ihm Gele: red genannt, hatte er zu feiner Leibwache unter den Waffen, midyt blos im Kriege, fondern auch im Frieden.

16. Als er nach foldhen unfterbfichen Thaten, um fein Heer zu muftern, eine VBerfammiung auf dem Marsfeid am. Ziegenteiche hielt, brach plöglich ein Ungewitter unter gro= ßem Krachen und Donnerfchlänen aus, und eine Regenwolke verhältte den König fo dicht, daß fie ihn den Augen der Ver⸗ fammelten entzog. Und nicht mehr war von jest an Romulus anf Erden. Als, nachdem ver Schrecken endlich ſich gelegt, und

Nach Roms Erbauung 37. Vor Chr. Geb. 7ıöff. 39

nach einem fo ſtürmiſchen Tage Heiterkeit und Ruhe am Himmel wiedergefehrt war, die Romiſchen Wehrmänner den Kouigsſtuhl leer fahen, fo glaubten fie zwar den MWätern, welche ihm zunaͤchſt geitanden hatten, wohl, daß der Sturm ihn gen Himmel entführt habe, beobachteten jedoch wie be⸗ troffen vom ſchrecklichſten Gedanken der Verwaiſung eine Seit: lang ein düfteres Stiltfchweigen. Bald aber, nachdem etliche angefangen, grüßfen alle Romulus ald Gott von einem Gotte gezeugt, als König und Vater der Stadt Rum, fleheten in (Hebeten um feine Huld, daß er willfährig und erbarmend immer feine Kinder ſegne. Wohl mochten ſchon damals Ei⸗ nige in der Stille argmöhnen, ber König fey von den Vä⸗ tern zerriffen worden; denn auch dieſe Sage hat fich, wiewohl fehr dunkel, fortgepflanzt. Jener erfteren gab die Bewunderung des Mannes und der Schveden des Augenblicks allgemeines Anſehen. Auch fol dur den Eugen Einfall eines Mannes die Sache noch mehr Glauben gewonnen haben. Als näm- lich die Bürger vol unruhiger Sehnfucht nach dem Könige umd erbittert auf die Väter waren, trat Proculus Julins, ein, wie berichtet wird, gewichtuoller Zeuge für eine ob auch noch fo wunderbare Sache, in der Merfammlung auf und fprad) : „ihr Quiriten! Romulus, der Vater diefer GStadt, ift heute bei anbrechendem Tage plöglid vom Himmel her- abgeichwebt und vor mid, hingetreten. Als ich von Schauer Durchbebt umd ehrfurchtsvoll daftand, mit Gebeten fiehend, Daß ich ihm in’s Antlitz möge fehauen dürfen, fo ſprach ee: . gehe hin, verfändige den Römern, die Himmliſchen wollen, daß mein Mom das Haupt des Grdkreiſes werde; darum ſel⸗ len ie das Kriegeweien eifrig üben, und feft glauben amp

40 Livius Römifche Geſchichte. Erſtes Buch.

den Nachkommen übertiefern, daß keine meuichlihe Macht den Römifhen Waffen widerftiehen könne. Go fprady er, fagte Proculus, und erh b ſich in den Himmel.” Es iſt wunderbar , wıe viel Ölauben diefe Erzählung des Mannes fand, und wie fehr die Sehnſucht nach Romulus bei Bote und Heer durch die Ueberzeugung von feiner Unſterblichkeit gemildert wurde.

17. Die Gemüther der Vaͤter becchaͤftigte unterdeſſen lebhaft der Wettſtreit um den Thron und die Begierde nach demſelben. Noch aber hatten nicht Einzelne, da unter dem neuen Volke Keiner vorzüalich hervorragte, Parteien ſich gemacht, die Claſſen ſtritten mit einander. Die gebornen Sabiner wollten einen König aus ihrem Mittel gewählt wiſ⸗ fen, damit fie nicht, weil nad) dem Tode des Tatius fein

König von ihrer Seite geweſen war, in einem auf Gleich⸗ heit der Rechte geichloffenen Vereine den Bells der Herr: fhaft verlören. Die arten Römer wollten keinen . fremden König haben. Go verfdr:eden ader die Wünfche waren, eis nen König moliten doch alle, denn die Süßigkeit der Frei⸗ beit hatten fie noch nicht getoftet. Darauf Fam den Vätern die Beſorgniß, es möchte den Staat ohne Fürften, das Heer ohue Anführer bei der gereisten Stimmung vieler umliegens ben Städte irgend eine auswärtige Macht angreifen. Ir⸗ gend ein Haupt alfo wünfchten fle zu haben, aber Keiner wollte, dem Andern nachzuftehen, ſich entichließen. Daher theilten die hundert Väter gemeinfam die Regierung unter Gh, indem fie zehn Decurien machten und auf jere Decurie Einen wählten, welcher dem Ganzen oorfiehen ſollte. Im⸗ wer Zehn vegierten, Einer hatte die Zeichen der höchſten

Nach Rom Erbanung 37. Bor Chr. Geb. 715 ff.

Gewalt und die Lictoren; fünf Tage währte die Regierung und kam in der Runde an alle; und ein ganzes Jahr vers floß auf diefe Weife ohne König. Dieß wurde von der Sache ſelbſt, mit einem noch jet üblichen Ausdrude, Zwiſcheure⸗ gierung [Interregnum) genannt. Nun aber murrten. bie - Bürger, „die Knechtſchaft fey vervielfältiget, hundert Her⸗ ven feyen flatt Eines geworden,‘ und nur einen König umd zwar einen von ihnen felbft gewählten, ſchienen fie fernerhin dulden zu wollen. Als die Wäter fahen, daß dieß im Werke fey, glaubten fie, freiwillig anbieten zu müffen, was fle vers (oren haben würden, und verpflichteten ſich, durch Ueberlafs fung der höchſten Verfügung an das Volk, daflelbe auf eine Weiſe, wobei fie nicht mehr Rechte gaben als behielten. Sie machten nämlich den Beſchluß, wenn das Volk einen König erwählt habe, follte die Wahl dann gültig feyn, wenn die Väter file beftätigen. Und noch Heutzutage ift bei Ger fesvorfchlägen und Beamtenwahlen daſſelbe Recht in Ue⸗ bung, aber es hat feine Kraft verloren: che das Volk zum Abſtimmen fchreitet, beftätigen die Väter voraus das noch unbefannte Ergebniß der Verſammlung. Damals rief der Zwifchentönig dad Volk aufammen und ſprach: „Glück, Heil nud Gegen, ihr Duiriten, wählet einen König; alfo hat es den Vätern gut gedäucht; die Väter werden dann, wean ihr einen wählet, welcher würdig ift, als der zweite nad) Ro⸗ mulus gezählt zu werden, ihn beflätigen. Go angenehm war dieß dem Volke, daß es, um nicht/an Gefälligkeit über- troffen zu fcheinen, nur dafür ſtimmte und ſich erßlärte, der Genat Tolle durch Beſchluß entſcheiden, Mer binfort in Rom König ſey.

42 Lloius Römifche Geſchichte. Erſtes Vuch.

18. Hoch brrũhmt war dazumal die Gerechtigkeit und dee fromme Sind des Numa Pompilius. In der Sabini⸗ ſchen Stadt Cures wohnte dieſer, ſo weit es in jenem Zeit⸗ alter irgend jemand ſeyn kounte, aller göttlichen und menſch⸗ lichen Rechte Eundigfte Mann. Als feinen Lehrer gibt mau, weil Fein Anderer zu finden tft, den Prthagoras von Samos faͤlſchlich an, welcher ja bekanntlich, als Gervius Tullius im Rom MWnig war, Über hundert Fahre fpäter, auf der umter- ſten Küfte Staliens, in der Gegend von Metapontum, Des raklea und Erston einen Verein Iernbegieriger junger Maͤn⸗ ner um fich hatte. Und gefebt auch, beide wären Zeitgenofs fen geweſen, welcher Ruf von Pythagoras hätte von jenen Orten beranf bi zu den Gabinern dringen, oder durch wel- cher Sprache Vermittelung hätte derfelbe hier Jemand bes flimmen Fönnen, fih aufzumachen, um von ihm zu lernen ? oder unter welchem Schutze wäre ein Einzelner durch fo viele in Mundart und Sitten verfchiedene Völker bis zu ihm gelangt? Vielmehr alfo vermuthe ich, daß feine Seele von Natur mit. einem reihen Maaße von Vorzügen begabt, und nicht ſowohl durch fremde Wiflenfchaft gebildet war, als dur die rauhen und firengen Grundfäbe der alten Gabiner, eines Volkes, das vor Zeiten zu den unverborben- ften gehörte. Als die Römifhen Väter den Namen Numa hörten, wagte,. obgleidy das Uebergewicht auf die Seite ber Sabiner, wenn aus ihrer Mitte der König genommen würde, fid) zu neigen ſchien, dennoch Keiner, ſich felbft, oder einen von feiner Partei, ja irgend einen der Väter oder Mitbärs ger dieſem Manne vorzuziehen, und einmüthig befchleßen Alle, dem Numa Pompilind die Fönigliche Gewalt zu über

Nach Roms Erbauung 3g. Vor Chr. Geb. ı5ff: 43

“tragen. Nachdem man ihn berufen, verlangte er, wie Ro⸗ mulus auf heilige Bogelzeichen die Stabt gründete und Kös nig wurde, daß auch feinetwegen die Götter befragt würden. Mithin wurde er von einem Vogelſchaner, welcher von der Zeit an Ehrenhalber diefes Prieſterthum als ein öffentliches zeitlebens beBleidete, auf die Burg geführt, und feste ſich, Das Geſicht gegen Mittag gerichtet, anf einen Stem. Ihm zur Linken nahm der Bogelichauer mit verhülltem Haupte feinen Sitz, in der Rechten einen krummen, knotenloſen Stab, Lituns genannt. Nachdem er hierauf die Ausficht über Stadt und Land genommen, und die Götter angerufen hatte, beftimmte er die Bezirke vom Aufgange bie zum Un⸗ tergang ; rechts nannte er die Räume gegen Mittag; links Die Räume gegen Mitternadyt. Gerade vor fid) hinaus ſteckte er fih im Geiſte ein Merkmal, fo weit nur feine Augen reihen Fonnten; daun nahm er den. Krummſtab herüber in Die linke Hand, legte feine rechte auf Numa's Haupt und betete alfa: „Vater Jupiter, wenn ed dein heiliger Wille it, daB dieſer Numa Pompilins, deſſen Haupt ich halte, - -König fen in Rom, fo wolleft du uns gewiffe Zeichen offen⸗ baren inner den Grenzen, weldye ich gefebet Habe.’ Darauf - beftimmte er mit ausführlichen genauen Worten ausdrücklich die Bogelzeichen, welche er gefenbet wünjchte, umd als dies ſeilbigen gefendet wurden, flieg Numa, als erklärter König, von der Schauhöhe herab.

19. ©o zum Throue gelangt ſchickte er ſich an, Die junge durch Gewalt und Waffen gegründete Stadt durch Rechte, Geſetze und Bitte von neuem zu gründen. Und da es ſah, baf unter Kriegen bie durch Waffendienſt verwil⸗

44 Livius Römifche Gefchichte. Erſtes Buch.

derten Gemüther fi) an jene nicht gewöhnen Föunen, fo glaubte er, das trogige Volt durch Entwöhnung von dem Waffen fänftigen zu müffen, und machte einen Sjauustempel, ganz unten am Argiletum zum Anzeiger des Krieges und des Friedens; geöffnet, follte er andeuten, daß der Staat unter den Waffen ſtehe, gefchloffen, daß mit allen Völkern ringsum Friede ſey. Zweimal war derfelbe in der Folge ſeit Numa’s Regierung gefchloffen , einmal unter Conſul Man- ins, nach Endigung des erften Punifchen Krieges, das zweites mal, was die Götter unfern Seitgenofien zu erleben vers liehen haben, als, nad) der Schlacht bei Aktium, Friede auf Land und Meer errungen: war, dur den Imperator, Eifer Augnftus. Nachdem durdy Schließung diefes Tempels, ins dem fih Numa alle Nachbarn ringsum durch Bündniß nnd Berträge befreundet hatte, jede Beforgniß auswärtiger Ges fahr verfhwunden war, fo glaubte er, damit nicht Ruhe Dieje: nigen ausgelaffen mache, welche Furcht vor Feinden und Krieges zucht bisher gezügelt hatte, den Gemüthern zu allererft das Wirkſamſte auf eine unwiflende und in jenen Seiten rohe Menge, Furcht vor den Göttern, einflößen zu müſſen. Und weil diefe ohne Erdichtung eines Wunders Peine Wurzel im den Gemüthern faflen konnte, fo gab er vor, mit der Göttin Egeria nächtliche Zuſammenkünfte zu haben: nad ihrer Aus mweifung orbne er die den Göttern angenehmften heiligen Ges. bräuche an, gebe er jeder Gottheit ihre eigenthümlichen Pries fter. Und zwar theifte er vor Allem das Jahr nad dem. Laufe des. Mondes in zwölf Monate; weil aber der Mond in weniger als dreißig Tagen jeden Monat feine Bahn volls endet, und zu einem vollen Sonnenjahre noch einige Tage

Nah Roms Erbauung 39. Bor Chr. Geb. 7ı3ff. 173

fehlen, fo richtete ex es durch Einfhiehung von Schaltwo⸗ naten fo ein, daß alle vier und zwanzig Fahre die Tage anf denfelben Stand der Sonne, bei welchem man zu zählen angefangen hätte, zutreffen, und die fämmtlihen Tahre ihr volles Zeitmaaß erhalten follten. Auch ordnete er gefchlofs fene und freie Tage an, weil es in Zukunft mandımal gut feyn konnte, wenn mit dem Volke nichts verhandelt werden bürfte.

20. Darauf richtete er feine Gedanken auf die Wahl von Prieftern, obgleich er fehr viele Götterdienfte felbft be forgte, befonders dierenigen, welche jetzt dem Eigenpriefter Jupiters IFlamen Dialis] obliegen. Uber, weil er glaubte, daß in dem kriegeriſchen Staate die Könige häufiger dem Romulus als dem Numa gleichen, und felbft zu Felde zie: . hen würden, ſo ernannte er, damit nicht Die dem Könige ob- liegenden heiligen Gefchäfte unterblieben, für Jupiter einen beftändig gegenwärtigen Eigenpriefter, und zeichnete ihn durch eine befondere Amtskleidung und durdy den königlichen Eh: renftuhl aus. Neben diefem flellte er zwei audere Eigen: priefter auf, einen für Mars, den andern für Quirinne. Auch erlas er Jungfrauen für die Veſta, ein von Alba ſtam⸗ mendes und der Bamilie des Erbauerd nicht fremdes Prie⸗ fterthum. Dieſen feste er, damit file beffändige Vorſteherin⸗ nen des Tempels wären, einen Gehalt aus dem öffentlichen Schatze aus, und machte fie durch Jungfraufchaft und andere Weipungen ehrwürdig und heilig. Berner wählte er für den Mars Gradivus zwölf Galier, und gab ihnen zum Ehren Heid einen geflichten Leibrod, umd über den Leibrod einen ehernen Bruſtſchild, und hieß fie die himmliſchen Schilde,

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46 Livbius Rbmiſche Seſchichte. Erſtes Buch.

welche Uncitien genannt wurden, durch die Stadt tragen unter Abſingung von Liedern mit Waffentanz und feierlichem Reigen. Zum Oberprieſter wählte er hierauf den Numa Marcius, Sohn des Marcus, aus der Zapf der Väter, und übergab demfelben den’ gefammten Götterdienſt in ſchriftli⸗ cher Urkunde ugd Nachweifung, welche Opfertbiere, an wel⸗ then Tagen, in welchen Tempeln bargebracht, woher bie Gelder zu: diefen Ausgaben genommen werden follten. Auch alle übrigen heiligen Gebräuche, ſowohl öffentliche als eins zeiner Bamilien, unterwarf er dem Gutachten des Oberprie: ſters, damit das Bolk fi bei Jemand Rechts erholen könn⸗ te, auf daß nichts von den Gerechtſamen der Götter durch Bernachläßigung einheimifher und durd Aufnahme fremder Gehräuche eine Störung litte. Und nicht blos über den Dienft. der Himmliſchen folkte diefer Dberpriefter Belehrung geben, fondern auc über Die den Verſtorbenen gebührende este Ehre und über die Gühne der Schatten; und weidye Schreckzeichen in Bliben oder irgend einer andern Erfcheis nung gegeben, als folche aufgenommen und gefühnt werben müßten. um diefed dem Sinne der Götter zu entloden, weihete er dem Jupiter Elicius einen Alter auf dem Aven- tinus, und fragte den Gott durch Vogelſchau, was ale Zei⸗ chen aufzunehmen fey.

21. Indem’ das ganze Bott von Gewalt und Waffen ab auf ſolche Berathungen und Ausrichtungen gelenkt wur⸗ de, waren die Gemüther nicht nur mit etwas befchäftiget, fondern die beftändig wache Rückſicht auf die Götter hatte bei dem Glauben, daß eine himmliſche Obmacht Theil neh⸗ me an den menfchlichen Angelegenheiten, jede-Bruf mit fo

Nach Roms Erbauung 5g. Bor Chr. Geb. 713ff. 47

frommer Gdyen erfüllt, dab Wort und Schwur nächſt der Furcht vor Gefes und Strafen die Stadt regierten. Und da die Bürger felbft nad der Denk» und Handlungsweile Des Könige, als einem ganz Tinzigen Mufter, ſich bildeten, fo wurden nun auch die benachbarten Völker, weldye bisher

in Rom nicht eine Stadt, fondern ein Lager gefehen hatten, .

angelegt in ihrer Mitte, un den Frieden Aller zu flören, von einer ſolchen Verehrung durchdrungen, daß fie es für Frevel hielten, ein ganz auf den Dienst der Götter gerichtes tes Volk zu befeidigen. Es gab einen Hain, durch deffen Mitte aus umfchatteter Höhle eine lebendige Quelle wäflernd floß. Diefen Hain weikete Numa, welcher oftmals obne

Zengen, wie zu einer Zufammenkunft mit der Göttin, fih -

dabin begab, den Camenen, weil diefe bort bei feiner Gat⸗ tin Egeria Zufammenfünite hielten. Auch verordnete er für die Göttin der Trene allein eine Feier; zum Heiliathume ders

felben fellten die Eigenpriefter auf einem bogenförmig übers .

deckten zweifpännigen Wagen fahren, und die Haud bis an

. bie Singer verhüllt, das Opfer bringen, zum Zeichen, daß -

Zreve zu halten, und ihr Bis auch in der Rechten gehei- ligt ſey. Noch viele andere Opfer und Opferflätten, von den Oberprieftern Argei genannt, ordnete er an. Jedoch bas -größte aller feiner Werbe war, dab er feine ganze Res giernngezeit hindurch den Frieden nicht minder fchirmte ale Dad Reich. Go’ brachten zwei aufeinanderfolgende Könige, jeder auf andere Weife, der este durch Krieg, der zweite durch Frieden den Staat in Aufnahme. Nomulus herrichte fieben und dreißig, Numa drei und vierzig Jahre. Jetzt

48 Livius Nömifche Geſchichte. Erſtes Buch.

war ber Staat kraftvoll, jest bei ſchͤnem Ebenmaaß durdy die Künfte, beibes des Krieges und des Friedens.

22. Mit Numa’s Tode trat wieder eine Iwifchenregies zung ein. Darauf ernannte das Volk den Tullus Hoftiliug, einen Enkel jenes Hoſtilius, welcher am Fuße der Burg ſo ruhmvoll gegen die Sabiner geſtritten hatte, zum Könige. "Die Väter beftätigten die Wahl. Diefer war nicht nur dem letzten Könige unähnlich, fondern Eriegerifcher fogar, als Ro⸗ mulus. Jugend und Kraft auf der einen, der Ruhm des Großvaters anf der andern Seite fpornten feine Seele an. Meberzeugt num, daß die Bürger durd) Ruhe erfchlaffen, fuchte er überall Veranlaſſung zum Kriege. Es fügte fidy zufällig, daß Römiſche Landleute aus dem Albanifchen, Als baner aus dem Romiſchen Gebiete wechfelfeitig Beute weg- trieben. In Alba berrfchte. zu der Zeit Cajus Cluilius. Bon beiden Seiten wurden ungefähr zu gleicher Zeit Ges ſandte geſchickt, Erſatz zu fordern. Zullus hatte die Geini- ‚gen angewiefen, vor Allem ſich zuerft ihres Auftrages zu entiedigen ; er wußte gewiß, daß ber Albaner den Erfah vers weigern werde: fo habe man ein Recht, Krieg zu erklären. Die Albaniſchen betrieben ihre Sache minder eifrig. Bon Tullus gaſtlich, mit Zreundlichkeit und Güte aufgenommen, fpeidten fie voll Artigkeit täglich bei dem Könige. Unter: deſſen hatten die Römifchen bereits nicht nur Erjab gefors dert, fondern audy anf die Weigerung des Albaners Krieg nach Berfluß von dreißig Tagen erklärt. Mit diefer Nach: richt kehrten fie zu Tullns zurück. Jetzt forderte Tullus die Gefandten anf, ihm die Adficht ihrer Ankunft vorzutragen. Gene, von Allem nichts wiſſend, entfchuldigten fich zuerſt

x RL Nach Roms Erbauung 82. Vor Chr. Geb.670. 49.

lange: ungerne würden fie etwas fagen, was dem Könige mißfallen dürfte; aber bie Befehle ihres Herrfchers zwingen fie dazu; fie feyen gefommen, Rückgabe zu verlangen; würde dieſe abgefchlagen, fo haben fie Befehl, Krieg anzukündigen. Daranf erwicberte Tullus: Meldet eurem Könige, der Römiſche König nehme die Götter zu Zeugen, welches von beiden Völkern zuerft die Erfah verlangenden Gefandten mit Beradhtung abgewielen, auf daß diefelbigen auf jenes Volk alles Unheil dieſes Krieges fallen laſſen.

233. Diefe Erklärung brachten die Albaner nach Haufe. Und von beiden Seiten rüftete man ſich mit aller Macht zu einem Kriege, der ganz ähnlich war einem Bürgerkriege, beinahe zwifchen Eltern und Kindern; denn beide Völker waren Trojanifhe Abkömmlinge, da Lavinium von Troja, von Lavinium Alba, von dem Albanifchen Königsgeſchlechte Die Römer ihren Urfprung hatten. Der Ausgang des Kries ges jedbod machte den Streit minder beflagenswerth, weil es zu Beiner Feldſchlacht Fam, und nur bie Häufer der einen Stadt niedergeriffen, beide Völker aber in Eines verſchmol⸗ zen wurden. Die Albaner fielen zuerft mit einem großen Heere in die Römiſche Mark ein; fie fchlugen nur zwei Stunden von der Stadt ein Lager, und umgaben es mit eis nem Graben, weldyer nach dem Anführer einige Jahrhun⸗ derte lang der Cluilius-Graben hieß, bis durch die Länge der Zeit mit der Sache auch der Name verfhwand. In dies fem Lager ftarb der Albaner König Cluilius, und die Alba⸗ ner wählten einen Dickator, Mettus Kuffetius. Indeſſen 309 Tullus voll frogigen Muthes, befonders über dem Tode

des Könige, und mit wiederholter. Erklärung, die mächtig eivius. 18 Bhchn. 4

50 Livius Römifche Gefchichte. Erſtes Buch.

waltenden Götter, weldye bei dem Haupte angefangen, wer: den das ganze Volk der Albaner wegen bes frevelhaften Krieges trafen, Nachts am feindlichen Lager vorbei, und rüdte mit feinem Heere ein in's Albaniſche Gebiet. Dieß trieb den Mettus aus feinem Gtandlager. Er zieht dem Zeinde fo nahe als möglich nach; ſchickt dann einen Herold voraus und läßt dem Tullus fagen: ehe fie eine Schlacht liefern, fey eine Unterredung nöthig; würde Zullus mit ihm zufammentommen, fo fey er gewiß, demfelben Vorfchläge zu machen, weldye für Nom nicht minder als für Alba zu ber achten wären. Tullus wies den Antrag, obgleich er ihn für nichtig hielt, nicht ab, und ftellte ſich mit feinem. Deere auf.

Gegenüber rückten auch die Albaner aus. Als beide Theile

gerüftet ftanden, traten mit wenigen der Vornehmſten die Anführer in die Mitte vor. Da begann der Albaner: „daß Unbilden und verweigerte Rückgabe deffen, was vertragemäs fig zurüdgefordert worden, dieſes Krieges Urfache ſey, meine ich von unferm Könige Cluilius gehört zu haben, und ich zweifle nicht, Daß auch du, Tullus, Diefelbe Sprache führeft. Aber wenn die Wahrheit und nicht blos ein fcheinbarer Vor⸗ wand gefagt werden fol, fo ift es Herrfchfucht, weldye zwei verwandte und benachbarte Völker zur Fehde reizt. Ob das recht ift oder unrecht, will ich nicht entfcheiden: das mochte Derjenige bedenken, der den Krieg angefangen. hat. Mic has ben die Albaner zum Zeldherrn für die Führung des Kries ges gewählt. Lines aber, Tullus, möcht ich dir au’8 Herz legen: wie groß die Macht der Etrusker um uns und befon«- ders um dich herum fey, weißeſt du, je näher ihr ihnen fedb, um fo beſſer; viel vermögen fie zu Zande, fehr viel zur

Nach Roms Erbauung 85. Bor Ehr. Geb. 66; ff.

See. Bedenke, daß fie, wenn du jebt das Zeichen zum Kampfe gibft, ihre Augen an diefen beiden —— weiden werden, um die Ermüdeten und Erſchöpften, den Sieger mit ben Beflegten, anzugreifen. Darum, wenn ung die Götter lieben, laß uns, weil wir, nicht zufrieden mit‘ gewiffer Freiheit, den ungewiſſen Wurf nm Herrſchaft ober Dienftbarkeit wagen wollen, ein Mittel ergreifen, das ohne großen Berluft, ohne vieles Blut auf beiden Seiten, ent ſcheiden möge, welches von beiden Völkern dem andern beſeh⸗ len folle. Der Vorfchlag mißfiel dem Tullns nicht, fo ſtreit⸗ luſtig er theild durch feine Gehüthsart, theils in Hoffnung des Gieges war. Indem man fidy von beiden Seiten ums ſah, ergriff man ein Mittel, weiches die Schickung ſelbſt ih⸗ nen darbot.

24. Zufällig waren damals in beiden Heeren Drillings⸗ brüder, weder an Jahren noch an Kräften einander ungleich. Daß ſie Horatier und Curiatier hießen, iſt entſchieden, und nicht leicht iſt eine andere alte Begebenheit berühmter; und doch ſchwebt bei einer ſo kundigen Thatſache Ungewißheit über den Namen, welchem der beiden Völker die Horatier, weichem die Euriatier angehört hätten. Die Geſchichtſchrei⸗ ber find getheilt, doch finde ich, daß die größere Zahl bie Horatier Römer nennt, und ihr zu folgen bin id) geneigt. Diefen Drillingen machten die Zürften den Vorſchlag, ſich für ihr Vaterland zu fchlagen: auf welcher Seite der Sieg wäre, ba follte die Herrſchaft ſeyn. Sie weigerten ſich nicht; Zeit und Ort wurde verabredet. Che fie kämpften, ward ein Vertrag gefchloffen zwifchen den Römern und Albanern auf die Bedingung, daß dasjenige Volk, Bürger in

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‚52 Livius Mömifche Geſchichte. Erfles Buch.

dieſem Kampfe fiegen würden, über das andere Volk in gu⸗ tem Frieden herrfchen folle. Verträge werden batd auf.diefe, bald auf jene Bedingung, alle aber auf diefelbe Weife ger ſchloſſen. Damals gefhah ed nach der Ucherlieferung auf folgende Art, und keinen frähern Vertrag hat uns bie Ges - fchichte anfbehalten. Der Bundespriefter (Fetialis) fragte den König Tullus alfo: „Befiehlſt du, König, dab ich mit dem Eidesvater (Pater Patratus) des Albanifchen Volkes einen Vertrag fchließe?” Als der König dieß bejahte, fo fprady er weiter: „König, gib mie Weihekräuter.” Der Kös nig ſpraͤch: „Hole reines Gras!“ Der Bnndespriefter hofte von der Burg reines Gras herbei; darauf fragte er den Koͤ⸗ nig alfo: „König, machſt du mich zum Füniglichen Botfchafs ter des Römischen Volkes der Quiriten? mein Geräthe und meine Begleiter 2°: Der König antworfete: „So weit es ohne Gefährde für mich und das Römiſche Volk der Quiri⸗ ten gefchehen mag, mache ich dich dazu.‘ Bundespriefter war Marcus Balerins, zum Eidesvater machte er den Spurius Fuſius, indem er mit dem heiligen Kraute Haupt und Haare ihm berührte. Ein Eidesvater wird gemacht, um den Gib zu thun, d. h. den Vertrag zu befräftigen, und thut die ‚mit vielen Worten, welche, wie fle in einer langen Formel lauten, hier mitzutheilen unndthig iſt. Nachdem er hier⸗ auf die Bedingungen laut abgelefen, fprach er: „Höre, Ju⸗ piter, höre, Cidesvater des Albanifchen Volkes; höre bu, Albanifches Volk, wie dieß Alles von Anfang bie zu Ende von diefen Tafeln oder Wachfe abgelefen worden fonder Trug und Gefährbe, und mie es hiefelbft heutiges Tages völlig richtig ift verftanden worden, ald wird von diefen Bedinguns

Nach RNoms Erbauung. Vor Chr. Geb. 667 ff. 53

gen das Römiſche Volk nicht zuerſt abgeben. Wenn es zuerß abgehen ſollte mit öffentlichem Willen, in böslichem Trug, deffeiben Tages folit du, Inpiter, das Römifche Volk alſo treffen, wie ich dieſes Schwein da jegund treffen werde, und follt es um fo mehr treffen, je mehr du kannſt und vers magſt.“ Nachdem er dieß gefagt, fchlug er das Schwein mit dem Kiefelfteine todt. Auf gleiche Weife fprachen auch die Albaner ihre Zormeln und ihren Eid durch ihren Dictator und durch ihre Prieſter.

25. Als der Bertrag gefchloffen war, grifien die Dril⸗ linge, wie verabredet worden, zu.den Waffen. Unter den Ermahnungen der Thrigen auf beiden Seiten: „die beimi- ſchen Götter, Vaterland und Eltern, alle Bürger zu Hauſe, alte Bürger im Heere ſchauen auf ihre Waffen jetzt, auf, ihre Arme,’ traten fie, von Natur kühn, und voll des Sur rufes der Ermahnenden, in den Raum zwifchen den zwei Schlachtreihen vor. Beide Heere hatten fich vor ihrem Las ger gefest, ledig der Gefahr in diefem Augenblide, aber nicht der Sorge, denn es galt die Herrfchaft und fie ruhete in der Tapferkeit und im Glücke fo Weniger. So richteten . fie denn nun in gefpannter und banger Erwartung auf das keineswegs beiuftigende Schaufpiel ihre Seele. Das Zeichen wird gegeben, und mit feindlichen Waffen, glei Schlacht⸗ reihen, gehen zweimal drei Tünglinge, großer Heere Muth in der Bruſt, auf einander los. Nicht Diefem, nicht Jenem ſchwebt die eigene Gefahr, des Gemeinwefens Herrſchaft oder Dienftbarkeit fchwebt ihrer Seele vor, und daß des Baters Tandes 2008 von nun an ſeyn werde, wie fie demielben es bereiten. Sobald bei'm erften Zufammentreffen die Waffen

54 Livius Rdmiſche Geſchichte. Erſtes Buch.

—klirrten, und die blanken Schwerter blitzten, durchzuckte ein mächtiger Schauer die Zuſchauer, und fo lange auf keine Seite ſich die Hoffnung neigte, ftodte Stimme und Athem. Darauf, als fie handgemein wurden, und man nunmehr . nicht blos die Bewegungen der Körper und tag Hins und Herſchwingen der Schwerter und der Schilde, fondern auch Blut und Wunden fah, da flürzten zwei -Nömer, einer nach dem andern, leblos nieder, während die drei Albaner ver: wundet waren. Bei ihrem Fall erhob das Atbanifche Heer ein Zreudengefchrei, und tie Römifchen Schaaren katte be: reits alle Hoffnung verlaffen, aber noch nicht die Sorge, tod: tenblaß über dem Schickſale des Einen, um welchen ſich die drei Enriatier herumgeftellt hatten. Zum Glücke war dieſer ynverwundet, allen zufammen allein zwar nicht gewachfen, aber voll Muthes gegen jeden Einzelnen. Alfo, um den Kampf mit ihnen zu theilen, ergriff er bie Sucht, in der Hoffnung, ‘fie werden ihm nachſetzen, jeder in dem Maaße, wie es feine Wunde ihm erlaube. Schon war er eine gute Strecke vom Kampfplase geflohen, als er, zurückblickend, fle in großen Zwifchenräumen folgen, einen aber nicht fehr ferne von ſich ſah; auf diefen rannte er mit großem Ungeſtüm zus rüd. Noch rief das Albanifche Heer den Curiatiern zu, fie follen ihrem Bruder helfen, als ſchon Horatius fiegreich den Gegner getöbtet hatte und zum zweiten Kampfe flog. Da begeifterten die Römer mit einem Gefchrei, wie es [in den Bechterfpielen] die Wohlwollenden, wenn Unverhofftes ges fchieht, erheben, ihren Streiter, und er eilt, des Kampfes auitt zu feyn. Ehe daher der Undere, weicher auch nicht ferne

Nach Roms Erbauung 85. Vor Chr. Geb. 667 ff- 55

wer, herankommen konnte, ftredt er auch ben zweiten zu Boden. Run war der Kampf der Zahl nad) gleich, beider⸗ feitd nur Einer, aber weber gleih an Hoffnung, nody au Kräften. Der Eine, noch unverwundet, und ein zwiefacher Sieger, fchreitet kühn zum dritten Strauß; der Andere fdyleppt fi, matt von feiner Wunde, matt vom Lauf, und fhon beflegt durch feiner Brüder Fall vor feinen Augen, dem fiegreihen Feind entgegen. Auch war es nicht: ein Kampf. Frohlockend rief der Römer: „Zwei babe ich dem Schatten meiner Brüder geweiht, den dritten weihe ich der Urfache diefer Fehde, daß der Römer über den Albaner herrſche.“ Er fößt dem Gegner, welcher feinen Schild kaum halten - taun, das Schwert von oben in die Kehle, und zieht den Hingeftredten aus. Jubelnd und dankend empfargen die Rö⸗ mer den Horatius, um fo mehr erfreut, je gegründeter ihre Furcht geweien war. Dann fchreiten beide Theile zur Beer: digung ber Ihrigen, in fehr ungleiher Stimmung. Denn bie. Einen fahen ihre Herrſchaft vergrößert, bie Andern was ven unter fremde Botmäßigkeit gekommen. Die Gräber find da, wo Feder fiel, die beiden Nömifchen an Einem Orte nä⸗ ber gegen Alba, die drei Albanifchen Nom zu, aber von eins ander entfernt, und wie gefkritfen ward.

26. Ehe fie. von einander fhieden, befahl Tullus dem Mettus, welcher fragte, was er dem Vertrage gemäß zu befehlen hätte: er foll die Wehrmänner unter ben Waffen halten, ex werde fich ihrer bedienen, wenn Krieg mit den Bejentern werden follte. Auf dieſes wurden ‚beide Heere nad) Haufe geführt. Voran fchritt Horat.us, die drei Nüs lungen vor fich hertragend. Ihm kam feine Schweſter,

56 Livins Römifche Gefchichte. Erſtes Wach.

eine Jungfrau, welche einem ter Euriatier verlobt gewefen war, vor dem Gapenertbor entgegen, und als fie auf des "Bruders Schultern ihres Bertobten Waffenrod, den fie ſelbſt verfertigt hatte, erblickt, zerrauft fie fidy die Haare und ruft - weinend ihren todten Bräutigam bei Namen. Da entbrennt der wilde Jüngling über dem Wehklagen der Schweſter bei feinem Siege und bei fo großer allgemeiner Freude Er zieht Das Schwert und durchbohrt das Mädchen mit ſchelten⸗ den Worten: „Fahre bin, fprach er, zu deinem Bräutigam mit deiner unzeitigen Liebe, die du vergaßeft deiner Brüder, der todten und des Lebenden, vergaßeft deines Vaterlandes ! So fahre jede Römerin, die um einen Beind trauern wird.’ Graßlich erfchien dieſe Unthat den Vätern und den Bürs gern; aber das frifche Verdienſt fand der That gegenüber. Doch wurde er vor Gericht zum Könige gefchleppt. Der König, um nicht ſelbſt ein fo tranriges und dem Volke uns angenehmes Urtheil fällen, oder nad) dem Urtheile die To⸗ besftrafe vollziehen zu müſſen, rief das Volk zufammen und ſprach: „ich erneune Zweier [Duumpirn], welche den Hora⸗ tius wegen Öffentlichen Todtſchlags richten follen nach dem Gelege : Das Geſetz lautete fhanervoll: „Die Zweier fols len wegen öffentlichen Todtfchlags richten. Wenn der Thä⸗ fer von den Sweiern wettet Lappellirt] , fo verſuche er’s mit der Wette. Gewinnen's Jene, fo follt du ihm das Haupt verhüllen, follt ihn an das Fluchholz mit. dem Stride häns gen, sollt ihn ſtäupen entweder innerhalb der Ringmauer oder außerhatb der Mauern.’ Als die kraft des Geſehes ernannten Zweier, überzeugt, ihm nad) diefem Geſetze nicht einmal, wenn er unvorfäslicd, gefehlt hätte, losſprechen

Nach Rom Erbauung 85. Bor Ehr. Geb. 667 ff. 59 zu Binnen, ihn verurtheilt hatten, fo ſprach der @ine won ih⸗

‚zen: „Publius Horatins, ich erkläre dich Öffentlichen Todt⸗

ſchlags fchuldig ; gehe Lietor, binde ihm die Hände!” Der Lictor war hinzugetreten und warf ihm den Strid um. Da ſprach Horatins, aufgefordert von Tullus, welcher dem Bes fege eine milde Deutung gab: „Ich wette Lappellire].” So Fam durdy die Berufung auf das Bolk an diefes die Ents fheidung. Und nicht unbewegt blieben bei dieſem Rechts⸗ gange die Gemüther, befonders als der Vater Pubtius Ho⸗ ratius laut rief: „er erkläre, feine Tochter fen mit Nedyt ges tödtet; wäre dem nicht alfo, fo würde er nad) Vatersrecht gegen feinen Sohn verfahren Haben.“ Darauf bat er: „Man möchte ihn, welchen man fo eben noch reich an trefflichen Nachkommen gefehen hätte, nidyt kinderlos machen.’ Unter diefen Worten umarmte der Greis feinen Sohn, wies hin auf die Rüftungen der Curiatier, aufgehängt an dem Orte, welcher nod) jest der Horazifche Pfeiler heißt, und ſprach:

„Dieſen da, den ihr fo eben in des Sieges Zier und Jubel hereinziehen fahet, Duiriten, den Bönnt ihr unter dem Gal⸗

gen gebunden, gefchlagen und gemartert fehen? Kaum vers möchten Albaneraugen einen fo fchmählihen Anblick zu ers tragen: Gehe hin, Lictor, binde die Hände, welche fo eben gewaffnet dem Römiſchen Volke die Herrſchaft errungen ha« ben. Gehe Hin, verhülle dem Befreier dieſer Stadt das Haupt, hänge ihn auf an das Fluchholss fläupe ihn eut⸗ weder innerhalb der Mauern, nur ja zwifchen jenen Scafs ten und Rüftungen der Beinde, oder aufferhatb der Mauern, nur ja dieffeits dev Gräber der Euriatier. Deun wohin. kön⸗ net ihr diefen Jüngling führen, wo ihn nicht feine Ehren⸗

58 Livins Rdmiſche Geſchichte. Erſtes Much. male gegen eine fo ſchmachvolle Strafe ſchüßen?“ Das Volk widerfiand weder den Thränen des Vaters, noch Des

Sohnes in aller Gefahr ſich gleich bleibender Faſſung, und fie ſprachen ihn los, mehr aus Bewunderung feiner Tapfer⸗

Reit, als nad) dem Rechte feiner Sache. Damit jebody der

offenbare Mord wenigftens durch eine Art von Sühne ge: bößt würde, warb dem Bater aufgegeben, ben Sohn auf Öffentliche Koften zu entfündigen. Diefer brachte einige Sühn⸗ opfer, deren Beſorgung von da an dem. Horazifchen Ger fohlechte übertragen wurde, legte quer über die Straße eis

men Balken, und ließ den Sohn mit verbülltem Haupte wie

anter einem Galgen, durchgehen. - Diefer Balken ift, auf öffentliche Koften immer wieder hergeftellt, noch heufzufage zu fehen. Gchwefterbaiten wird er genannt. Der Horatia wurde an dem Orte, wo fle erflochen hinſank, aus Duabern

ein Grabmal errichtet.

27. Uber nicht lange dauerte der Friede mit den Al⸗ banern. - Der Unwille des Volkes, daß drei Wehrmännern das Schickſal des Staates überlafien worden, verkehrte dee Dictators eiteln Sinn, und weil gerade Wege nicht gut aus⸗ gegangen waren, fo wollte er auf krummen feiner Volksge⸗ noſſen Gunft fidy wieder gewinnen. Hatte er früher im Kriege Frieden gefucht, fo fuchte er jebt im Frieden Krieg, und weil er bei feinen Mitbürgern mehr Erbitterung als Kraft. bemerkte, fo heute er andere Völker auf, offenen und erkläre ten. Krieg zu führen: den Semigen behielt er unter dem Scheine des Bündniffes Verrath vor. Die Einwohner von Zidenä, einer Nömifchen Pflanzftadt, zogen die Vejenter mit in ihren Plan, und ließen fid) durch den zugefagten Ueber:

Nah Roms Erbauung 85. Vor Chr. Geb. 667 ff. 59: gang der Albaner zu Krieg und Fehde aufreizen. Auf deu

‚offenbaren Abfall von Fidenä befchied Tullus den Mettus

und fein Heer von Alba her, und z0g gegen den Beind. Er ging Über den Anio, und lagerte ſich bei feinem Einfluß in die Tiber. Zwiſchen diefer Stelle und Fidenä war das Bes jifche Heer über die Tiber gegangen. - Diefes hatte auch im

der Schlachtreihe deu rechten Blügel nah am Fluſſe, auf dem

Linken ftanden die Fidenaten näher an den Bergen hin. Tul⸗ Ins richtete feine Römer gegen die Vejenter, die Albaner flelite er der Schaar der Fidenaten entgegen. Der Albaner hatte nicht mehr Muth als Treue. Weil er mithin weder zu bleiben, nody offenbar überzugehen wagte, fo z0g er fi allmäpfig nach den Bergen hin. Daranf, als er glaubte, weit genug bergan gerückt zu feyn, ftellte er fein ganzes Heer am Abhang auf, und entfaltete, ſchwaukenden Sinnes, um nur Zeit zu gewinnen, feine Reihen. Seine Abfiht war, demjenigen Theile feine Kräfte zum Ausfchlage zuzumenden, zu welchem hin das Glück fid) neigen würde. Anfangs wun⸗

derten fidy die Römer, weiche am nächſten flanden, als fie

durch das Wegrüden der Verbündeten ihre Flanke blosge⸗ geben fahen; bald Fam ein Reiter zu dem Könige heranger forengt und meldete: die Albaner ziehen ab. Qullus, in der angitvollen Lage, gelobte zwölf Salier und den Göttern des Schreckens und Bebens jeglihem ein Heiligtum. Den Reis ter aber fchicte er mit lauten Scheltworten, damit die Feinde es hörten, in den Kampf zuräd: unnöthig ſey die Angſt; auf feinen Befehl ziehe ſich das Albaniſche Heer feitwärts, um den Fidenaten in den unbewehrten Rüden zu fallen. Zus gleich gab er ihm auf, den Neitern zu befehlen, fie follen

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60 Livins Römifche Geſchichte. Erſtes Sul.

ihre Lanıen in die Höhe Halten. Diele Maßregel hinderte einen großen Theil des Römifchen Fußvolks, den Abzug des Yibanerheeres zu bemerken. Diejenigen, welche ihn gefehen hätten, glaubten, was fie vom Könige gehört, und fochten um fo hisiger. Der Schreden ging über zu den Feinden; fie hatten das laute Wort gehört und die Fidenaten verflans den, ale den Römern beigegebene Pflanzer, größtentheils La⸗ fein. Um daher nicht, durch einen plöglichen Anfall ber Als baner von den Hügeln herab, von ihrer Stadt abgeſchnitten zu werden, wandten fie den Rüden. Tullus feste ihnen nad, und Eehrte, nachdem der Fitenatifche Flügel gefchlagen . . war, noch muthiger zurück gegen die durch fremden Schrecken fhon erſchütterten Vejenter. Auch diefe hielten den Angriff nicht aus, nur hinderte der Fluß in ihrem Rüden fie, nad) allen Seiten hin zu fliehen. Als die Flucht nach diefem ihre Richtung nahm, warfen die Einen fchmählich ihre Waffen weg und ftürsten blind in's MWaffer, die Andern wurden, während ſie am Ufer zauderten, fchwantend zwifchen dem Entſchluſſe, zu fliehen, oder fid) zu wehren, niedergemacht. Keine frü« here Römerſchlacht war bfutiger gewefen.

28. Jetzt wurde: das Albaner: Heer, das dem Kampfe zugefchaut, in die Ebene herabgeführt. Mettus wünfchte dem Tullus Glück zum Sieg über die Feinde. Tullus -feinerfeits fpradı freundlich mit Mettus. Auf gutes Glück hieß er die Aıbaner in Ein Lager mit den Römern ziehen, und verans ftaltete für den folgenden Tag ein Mufterungsopfer. Als es Tag wurde, und Alles, wie der Branıh es will, bereit war, hieß er beide Heere zur Verſammlung rafen. Die He⸗ rolde, welche an des Lagers Ende anfingen, entboten die Al⸗

Nach Roms Erbauung 35. Bor Chr. Geb. 667 ff. Gr

baner zuerf, und diefe ftellten fidy ſelbſt, auch weil es ihnen etwas Neues war, um den Nömifchen König öffentlich reden zu hören, ihm zunächſt. Sie umringte, wie verabredet war, bewaffnet die Schaar der Römer; den Hauptleuten war aufs getragen, auf den erfien Wink die Befehle zu vollzichen. Fest begann. Tullus alfo: „Römer! wenn ihr je zuvor in ire gend einem Kriege Urſache hattet, zuerft den unfterblichen Göttern, dann eurer eigenen Tapferkeit zu danken, fo war es nach der geftrigen Schlacht. Denn nicht blos mit den Zeins den ift geftritten worden, fondern eben fo fehr, was ein grös ßerer und gefahrvollerer Kampf ift, mit der Verrätherei und Zreufofigkeit der Bundesgenofien. Denn, damit ihr nicht in fatfhem Wahne bleibet, ohne mein Geheiß zogen die Alba- ner nad) den Bergen; ed war nicht Befehl von mir, fondern aus Klugheit gab ich vor, es befohlen zu haben, damit ihr, nicht ahnend, daß ihr verlaffen werdet, nicht den Muth zum Kampfe verlöret, die Beinde aber durdy den Glauben, man fomme ihnen in den Rücken, Angft und Flucht ergriffe. Doch was ic) rüge, ift nicht aller Albaner Schuld. Ihrem Führer folgten fie, wie auch ihr gethan haben würdet, hätte ich dem Zug irgend wohin ablenken geheißen. Mettus dort ift der Führer diefes Abfallens, Mettus auch der Anftifter dieſes Krieges; Mettus der Verleger des Vertrages zwifchen Rö⸗ mern und Albanern. Wage Fünffig Aehnliches ein Anderer, wofern ich jest an dieſem nicht der Welt ein warnendes Beifpiel gebe. Die Hauptleute ftellten ſich bewaffnet um den Mettus; der König fuhr in feiner Nede fort: „Glüd und Heil und Segen dem Römiſchen Volk und mir und euch, Albaner! Ich bin entfchloffen, alles Volk von Alba nad)

162 : Liolus Rdwiſche Geſchichte. Erſtes Buch. ==

Rom zu verfegen: den Gemeinen dad Bürgerrecht zu geben, die Häupter unter die Väter aufzunehmen, Eine Stadt, Ein Gemeinmwefen zu machen. Wie einft.der Gtaat von Alba ans Einem Bolt in zwei ſich theilte, fo werde er jebt wies derum zu Einem.“ Bei diefem beobachten die Männer von Alba, unbewaftnet von Bewaffneten umringt, manderlei wohl wünſchend, alle aber von Furcht gehalten, ein tiefes Schweigen. Darauf fprad) Tullus: „Mettus Fuffetius, wenn du noch lernen könntet, Treue und Berträge halten, fo hätte ich dir im Leben diefen Unterricht ertheilt. Nun aber, weil

dein Sinn nnheilbar ift, fo Ichre du durch deinen Tod Das Menfchengefchlecht Dasjenige für heilig halten, was von dir verlegt worden if. Wie du alfo kurz zuvor mit deiner Seele Halb der Sache von Fidenä, Halb der Sache Roms gehörteft, fo gib jest deinen Leib da und. dort hin zu zerrei- fen ber.’ Sofort hieß er zwei Viergeipanne herbringen, und auf ihr Geftelle ausgefpannt den Mettus binden, dann wurden die Pferde nach entgegengefeßten Richtungen getrie ben, und jeder Wagen fchleifte von zerriffenen Leibe mit ſich fort, was von Gliedern durch die Stricke an ihm hängen blieb. Alles wandte die Augen weg von einem fo fhenßlichen Ans blicke. Dieb war das erfte und lebte Beifpiel einer. die Ges feße der Menfchlichkeit vergeffenden Todesſtrafe bei den Nös mern ; fonft dürfen wir ung rühmen, daß kein Volk mildere Strafen beliebt hat.

29. Unterdeffen waren bereits Neiter nach Alba vorauss gefchickt, um das Volt nad) Nom herüber zu führen. Sept zogen bie Fußvölker hin, die Stadt zu fchleifen. Als diefe au den Thoren einzogen, fo eniſtand freilich kein Getümmel

Nah Rome Erbauung 85. Vor Chr. Geb.667 ff. 63

und kein &chreden, wie in eroberten Stätten zu herrfchen- pflegt, wenn die Thore erbrocden, die Mauern mit: dem Sturmbocde zertrümmert find, oder die Burg erſtürmt ift, und unter dem Gefihrei der Feinde und dem Nennen ber Bewaffneten durch alle Gaſſen, Schwert und Flamme alles durcheinander wirft; fondern. in finfteres Schweigen nnd ſtummen Bram waren Alle dergeftalt verfunten, daß-fie, vor Angft nicht wiffend, was fie zurüdiaffer, was fie mitneh: ‚menu follten, vathlos, einer den andern fragend, bald auf ih⸗ ver Schwelle flauden, bald ihre ‚Häufer, zum letztenmal dieß Alles anzufchauen, irre durchliefen. Als aber jest die Reiter mit Gefchrei fle fortzugeben drängten, als fchon das Krachen der niedergeriffenen Gebäude an den Enden der Stadt zu ihren Ohren drang, und der da und dort ſich er⸗ hebende Staub, gleicd, einer Wolke, Alles bedeckte, da raffte Jeder zufammen, was er Eonnte, währerd fie ihre Haus⸗ und Schutzgötter, und das Dad, unter welchem jeder ges boren und erzogen war, bei ihrem. Austritte zurücklaſſen mußten. Bald füllte ein ununterbrodener Zug Auswandern: der die Straßen, und der Anblick Anderer erneuerte durdy gegenfeitiged Bemitleiden ihre Thränen; auch laute Klagen hörte man befonders von den Frauen, wenn fie an den von Dewaffneten befesten Tempeln vorüberzogen, und ihre Göt— ter, wie Gefangene, zurücdlaffen mußten. Sobald die Al- baner aus der Stadt gezogen waren, machten die Römer ohne Unterfchied die öffentlichen und Privat: Gebäude dem Boden glei und Eine Stunde gab das Werk von vierhuns dert Jahren, fo Tange hatte Alba geflanden, der Zer⸗

64 Livlus Rdmiſche Geſchichte. Erſtes Buch.

ſtörnug zum Zertrümmern bin; doch die Tempel der Götter wurden , alfo hatte der König es befohlen, verfchont.

30. Rom wuchs inzwifhen durch Alba’s Untergang; verdoppelt warb die Zahl der Bürger. Der Berg Eölins wurde zur Stadt gezogen, und, damit deflo mehrere auf demſelben fih anbauten, wählte ihn Tullus zum Königefig nnd wohnte da. Die Häupter der Albaner, die Julier, Ser⸗

vilier, Duinctier, Geganier, Euriafier, Eiöfier, nahm er uns

ter die Däter auf, damit auch diefer Theil des Gemeinwes ſens ſich vergrößerte, und gab dem von ihm verftärkten Stande ein geweihetes Gebäude zum Rathhauſe [Eurie], welches bis zu unferer Väter Zeit das Hoftilifhe genannt wurde. Und damit alle Stände durch das nene Volk an Kraft gewännen, wählte er zehn Turmen ‚Reiter unter den Aldanern aus. Durch denfelben Zuſchuß ergänzte er die alten

Legionen und errichtete neue. Im Vertrauen auf diefe Kräfte

erblärte Tullus den Gabinern den Krieg, nächſt den Etruss fern damald tem mäcdhtigften Volke durch Männer und Maffen. Beiderfeits waren Beleidigungen zugefügt und ver: gebens war Genugthuung gefordert worden. Tullus Elagte: auf dem ſtark befuchten Markte bei dem Tempel der Fero⸗ nia ſeyen Römiſche Kaufleute verhaftet; die Gabiner : ſchon früher feyen von ihnen Leute in den Hain geflohen, und in Nom zurüchehalten worden. Dieß. waren die ans geblichen Urfachen des Krieges. Die Sabiner, wohl einges denk, nicht nur, daß ein Theil ihrer eigenen Kraft von Tas tins nach. Rom vdrpflanzt, fondern auch, daß Roms Made

neuerdings durch die Einverleibung des Albanervolkes ver⸗

größert worden, fahen fidh ebenfalls uach auswärtiger Hülfe

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| Nach Roms Erb. 100. Vor Chr. Geh. 653 ff. 65

nm. Etrurien war nahe; bie nächſten unter den Etruskern, Die Bejenter. Bon Diefen, wo eine nod von ben vorigen Kriegen her zurücdgebliebene Erbitterung am meiften zum Sriedensbruche reizte, zogen fie Freiwillige. Auf einige Heis mathlofe aus der bürftigen Menge wirkte auch der Gold. Vom Staate befamen fie Feine Hülfe, und redlich hielten Die Vejenter (deun bei den. Uebrigen iſt's weniger zu ver⸗ wundern) den mit Romülus geſchloſſenen Waffenſtillſtand. Als beide Theile ſich mit aller Macht zum Kriege rüſteten, und es darauf anzukommen ſchien, Wer den erſten Angriff mache, ſo gewann Tullus, duxrch einen raſchen Uebergang in's Sabiniſche, den Vorſprung. Es kam zu einem bluti⸗ gen Treffen am Walde Malitioſa, wo das Römiſche Schlacht⸗ heer, freilich auch dutch die Kraft feines Fußvolkes, jedoch am meiften Durch die neuerdings verftärkte Neiterei die Ober: ‚band behielt. Durch der Reiter plößlichen Arfgriff wurden die Sabinifhen Reihen in Unordnung gebracht, und Eonnten ‚von dem an weder zum Kampfe feſten Stand und Schluß gewinnen, noch zur Flucht ſich auflöfen ohne großen Verluſt. 31. Als, nad) dem Gieg Über die Gabiner, König Tal: lus und ber ganze Römer: Staat hochberühmt uud fehr mäch⸗ tig war, wurde dem König und den Vätern gemeldet, es babe auf dem Albaners Berge Steine gereguet. Weil dieß kaum glaublich ſchien, fo wurden Leute hingefchict, das Wunder zu fchauen, und vor ihren Augen fielen eine Menge Steine vom Himmel, nicht anders, als wenn vom Winde hergefrieben dichter Hagel zur Erde fällt. Auch ‚glaubten fie eine gewaltige Stimme vom Haine des oberften Gipfels

herab zu’ vernehmen: die Albaner follen nach heimathlichem Livind. 48 Bbchn. 5

66 Lieius Mömifche Gefchichte. Erſtes Bud).

Branche ihren Götterdienft verrichten, welchen diefelben, als hätten fie mit der Heimath auch die Götter verlaffen, vers geffen und entweder den Römifchen Bötterdienft angenom- men, oder, wie es geht, dem Scidfale grollend, jede Ver⸗ ehrung der Götter unterlaffen hatten. Auch von den Rö⸗ mern wurde, wegen defielben Wunderzeichens, ein neuntägis ges Öffentliches Opferfeſt veranflaltet, entweder weil eine himmliſche Stimme vom Albanerberg herab es befahl (denn auch dieſes wird erzählt), oder auf Anweiſung der Opfers ſchauer. Wenigftens blieb es Gebrauch, fo oft daffelbe Wun⸗ ‘derzeichen gemeldet ward, eine neuntägige Feier anzuflellen. Nicht Tange darauf. brach eine anftedende Seuche aus; ob⸗ gleid) aber Unluſt zum Kriegsdienfte daraus entſtand, fo wollte der ftreitiuftige König dody von keiner Waffenruhe wiffen, indem er überdieß glaubte, die jungen Männer würs den im Felde gefünder ald zu Haufe feyn; bie er ſelbſt in eine langwierige Krankheit fiel. Da ward zugleid, mit dem Körper jener trogige Sinn dergeftalt gebrochen, daß der⸗ felbe Mann , welcher bisher nichts für unköniglicher gehals ten, als mit heiligen Dingen ſich zu befaffen, auf einmal jes dem großen und Beinen Aberglauben fröhnte und auch das Bolt mit allerlei Gedanken frommer Angft erfüllte. Alles wünfchte jest, daß es wieder wie unter Numa würde, und ſah in Erlangung der Gnade hund Barmherzigkeit der Göt⸗ ter die einzige Hülfe für die Kranfen. Der König felbft fol, ald er die Bücher Numa's nachgefchlagen, und in Deus felben gewiffe geheime, feierliche Opfer, gebracht dem Ju⸗ piter Elicius, gefunden, nm diefe Opfer auszurichten ſich verſchloſſen haben; aber dieſe Beier fen nicht gehörig ange

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Nach Roms Erb. 114. Vor Chr. Geb. 636 ſf. 67

fangen oder vollzogen worden, und nicht nur ſey ihm keine himmliſche Erfcheinung geworden, ſondern Jupiter, über den

- verkehrten Dienft entrüftet, habe ihn mit feinem Blitze ers

fchlagen, und er fey mit feinem Haufe verbrannt. Tullus herrfchte mit großem Kriegerunme zwei und dreißig Jahre

- fang.

32. Nach des Tullus Tode war bie Regierung, wie es von Anfang an üblich gewefen, wieder an bie Väter gefals len, und diefe hatten einen Zwifchentönig aufgeftellt. - Al diefer die Wahlverſammlung hielt, ernannte das Volk den Ancus Marcius zum Könige; die Väter beftätigten die Wahl. Ancus Marcins war ein Enkel des Numa Pompilius von feiner Tochter. Sobald derſelbe die Regierung angetreten, hielt er, des großväterlichen Ruhmes eingedent, und weil die Teste Regierung, im Ganzen trefflih, doch von Einer Seite nicht recht glüdtid, gewefen war, indem bie heiligen Gebräuche theild vernachläffigt, theils verkehrt beforgt wor« den, für feine allererfte Pflicht, den öffentlichen Götterdienft, wie ihn Numa angeordnet hatte, herzuftellen, und befahl

dem Oberpriefter, Alles, aus des Königs Schriften auf eine

weiße Tafel aufgezeichnet, öffentlich auszuftellen. Daran . ſchöpften nidyt nur feine fidy nach Ruhe fehnenden Mitbür⸗ ger, fondern auch die Nachbarvölker Hoffnung, der König werde den Grundfägen und der Handlungsweife feines Abs nen folgen. Darum hatten die Latiner, mit welchen unter Tullus ein Vertrag gefchloffen war, nenen Muth gewonnen, und gaben, nachdem fie einen Einfall in die Nömifche Mark gemacht, den Erfab forbernden Römern eine trotzige Ant⸗ work, im Wahne, der Römifche König xorde unthätig

68 Livlus Römifche Gefchichte. Erſtes Buch.

zwifchen Tempeln und Altären feine Regierung hinbringen. Die Ginnesart des Ancus war eine Mifchung von Romus Ins und Numa: beide hatte er vor Augen, und er glaubte nicht nur, daß unter feinem Großvater Friede dem neuen, wilden Volke größeres Bedürfniß geweſen, fondern audy, daß die Ruhe, weldhe jenem zu Theil geworden, er nicht wohl ohne Kränkung erhalten würde; man febe feine Ge: dnld erft auf die Probe, und verachte fie dann; Die Zeiten paſſen beffer für einen König wie Tullus ald wie Nume. Damit jedoch, wie Numa heilige Gebräuche für den Frieden angeordnet, fo von ihm die Sayungen des Krieges aufge: ftellt und die Kriege nicht bloß geführt, fondern auch auf eine feierliche Weife angekündigt würden, fo entiehnte er von dem alten Volke der Aequicoler das Recht, welches jegt die Bundenpriefter haben, nad). welhem Erſatz gefordert wird. Der Gefandte, wenn er an den Grenzen des Volkes, von welchem Erſatz gefordert wird, angekommen ift, das

Haupt mit einer Binde umwunden (die Binde ift von Wolle)

ruft: „Höre Jupiter, höret Grenzen (er nennt jedesmal das Bolt, deſſen Grenzen es find). Es höre das Recht der Göt⸗ ter. Ich bin der öffentliche Botfchafter des Römischen Vol⸗ kes; gerecht und fromm komm' id) als Abgefandter, und mei⸗ nen Worten werde Glauben!’ Darauf trägt er die Fordes sungen vor. Sodann ruft er Supitern ald Seugen an „wenn ich ungerecht und freventlich diefe Menſchen und diefe Sachen mir, dem Botfchafter des Römiſchen Volkes, ausge⸗ liefert Haben will, fo Taß mich nicht mehr lebend in meine Heimath kommen!" Go fpricht er, wenn er über die Grenze fchreitet, fo, wenn ihm der erfte Mann, welcher es fey, bes

Mach Roms Erb. 114. Vor Chr. Geb. 638 ff. 69

gegnet, ſo, weun er zum Thore hineingeht, ſo, wenn er auf den Marktplatz kommt, nur wenige Worte an der Formel und dem Eidſchwur ändernd. Wird ihm nicht herausgege⸗ ben, was er fordert, ſo kündet er nach Verfluß von drei und dreißig Tagen (denn ſo viele ſind feſtgeſetzt) den Krieg alſo an: „Höre Jupiter, und du, Juno, Quirinus, ihre Götter alle im Himmel, auf Erden und unter der Erbe, höret! Id) zufe eud) zu Zeugen auf, daß dieſes Bold er nennet es jedesmal mit Namen ungerecht ift, und was Rechtens ift, nicht leiftet. Aber in diefen Sachen wollen wir in der Heimath unfere Alten fragen, auf was Ark wir zu unferem Rechte fommen mögen.‘ Mit diefen Worten Eehrt der Bot: fchafter nad) Rom zarüd zur Beratung. Alfobald bes fragte der König ungefähr in folgenden Worten die Väter: „In Anfehung der Sahen, Händel und Angelegenheiten, ‚worüber der Eidesvater des Römifchen Volkes der Quiriten übereingefonmen ift, mit dem Eidesvater der Alt: Xatiner und den Alt: Latinifchen Männern, welche Sachen von dens felben hätten gegeben, gefchehen, gelöst werden follen, welche Sachen diefelben weder gegeben, noch gethan, noch gelöst haben, fag’ an fprach er zu Dem, deſſen Stimme er zuerft forderte was adıteft du davon?“ Daranf ſprach Diefer: „ich adyte dafür, man fol es holen in gerechter, frommer Schde, und alfo halte und flimme ih.’ Nun wurden bie Andern der Reihe nad) gefragt, und wenn die Mehrzahl der Anwefenden derfelben Meinung beitrat, fo- war Krieg nah gemeinfanem Rathe. Es war Sitte, daß der Bundespriefter eine mit Eiſen befchlagene ober fpisgebrannte bintige Lanze in der Hand an die Grenze jenes Volkes gieng und in Ges

70 Livius Nömifche Gefchichte. Erſtes Buch.

genwart von wenigſtens drei Erwachſeren alſo ſprach: „weil die Völker der Alt: Latiner und die Alt: Latirtifchen Wänner gegen das Römiſche Volk der Quiriten gehandelt und verbros chen haben, weil das Römifche Volk der Duiriten verordnet hat, daß Fehde fen mit den Alt-Zatinern, und der Rath des Rö⸗ mifhen Volkes der Quiriten erachtet, beigeffimmt und mit: befchloffen hat, daß Fehde werde mit den Mit-Latinern, als kündige idy und das Römifche Volk Krieg an den Völkern der Alt: Latiner und den Alt -Latinifhen Männern, und bes ginne ihn.“ Nachdem er das gefagt, warf er die Lanze in ihr Gebiet. Auf diefe Weife wurde damals von den Lati⸗ nern Erſatz gefordert und Krieg angekündigt und biefe Gitte _ bat fidy auf die Nachkommen fortgepflanzt.

, 33 Ancus, nachdem er die Beforgung des Götterdien⸗ ſtes den Eigen⸗ und übrigen Prieftern übertragen, brad) mit einem neu ausgehobenen Heere auf, erflürmte Politorium, eine Stadt der Latiner, und nerfebte, nad dem Vorgange der früheren Könige, welche durch Aufnahme ber Feinde in die Stadt Roms Madyt vergrößert Hatten, alle Einwohner _ nad, Rom. Weil aber um das Palatium, den Wohnfis der

. alten Römer, her die Sabiner das Eapitolium umd die Burg, den Edliſchen Berg die Albaner eingenommen hatten, fo wurde der Aventinus dem neuen Volke angemwiefen. Eben dahin kamen bald daranf aus dem eroberten Tellenä und Fikana neue Bürger. Nachher wurde Politorium, das die Alts2atiner, weil es leer war, wieder befegt hatten, noch einmal erobert. Und dieß war der Grund, warum die Rö- mer jene Stadt zerftörten, damit fie nicht immer ein Schlupf

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Nach Roms Erb. 121. Vor Chr. Geb. 61 ff. 71

winkel für die Feinde wäre. Endlich zog ſich der ganze La⸗ tinifche Krieg nady Medullia, wo eine Zeitlang mit unent⸗ ſchiedenem Güde und wechfelndem Siege gefochten ward; denn die Stabt war nicht nur wohl befefligt und ſtark bes fest, fondern es hatte fi auch ein Latinifches Heer im freien Felde gelagert und einigemale den Römern ein förmliches Treffen geliefert. Butegt bot Ancns alle; jene Macht auf, flegte zuerſt in einer Schiacht, kehrte dann mit großer Beute nad) Rom zurüd und nahm auch jebk viele ‚taufend Latiner zu Bürgern auf, denen ihr Wohnſitz bei dem Tempel der Murcia angewiefen wurte, um den Aventinus mit dem Palatium zu verbinden. Auch das Janiculum wurde zur Stadt gezogen, nicht aus Mangel an Raum, fondern damit es nicht etwa einem Feind einmal zur Veſte diente. Und man fand für gut, Daffelbe nicht nur durch eine Mauer, fondern aud) zur Bequemlichkeit des Verkehrs durch eine Pfahlbrücke («8 war die erſte, welche über bie Ziber ges fhlagen wurde) mit ber Stadt zu verbinden. Auch der Duiritengraben,, keine unbedentende Schutzwehre gegen den Sugang von den Ebenen her, iſt ein Werk des Königs Au⸗ cus. Weil aber'nady einem fo ungemeinen Wachsthume des Staates, bei ber großen Bevölkerung der Unterſchied von . Recht und Unrecht oft vergeffen, und heimliche Verbrechen begangen wurden; ſo wurde mitten in der Stadt, hart am Forum, ein Gefängniß erbaut, die zunehmende Frechheit zu tchreden. Über nicht blos die Stadt, aud) Land und Greus zen wurden unter biefem Könige erweitert. Der Mäflfche Wald wurde den Vejentern abgenommen, bis an bas Meer _ die Herrſchaft ausgedehnt und an der Mündung ber Ziber

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"72 Livius Rdmilche Geſchichte. Erſtes Buch.

die Stadt Oſtia erbaut; Salzwerke wurden in der Gegend angelegt, und nach glorreichem Kriege der Tempel des Ju⸗ piter Feretrius erweitert.

34. Unter der Regierung des Königs Ancus zog Lucu⸗ mo, ein ruhriger und durch feinen Reichthum vielvermögen⸗ der Mann, nad Rom, hauptsächlich aus Begierde und Hoff: nung großer Ehre, welche zu erlangen ihm in Zarquinti (denn auch dort war er von ausländifchem Stamm entfprofien) uns möglicd; gewefen war. Er war ein Sohn des Corinthiers Demaratus, welher, wegen Bürgerzwift ausgewandert, zu⸗ fällig in Tarquinii ſich niedergelaſſen, dort geheirathet und zwei Söhne gezeugt hatte. Diefe hießen Lucumo und Aruns. Lucumo überlebte den Vater und erbte alle feine Güter. Aruns flarb vor dem Vater und hinterließ eine ſchwangere Frau. Und) der Dater überlebte diefen Sohn nicht fange; weil er aber, von der Schwangerfchaft feiner Schwiegertoch⸗ ter nichts wiffend, ohne in feinem Vermächtniſſe des Enkels zu gedenken, geftorben war, fo erhielt der nad) bed Großvas ters ode ohne allen Anſpruch auf die Güter geborene Knabe von feiner Urmuth den Namen Egerius. Lucumo hingegen, Erbe alter Güter, betam fchon durch feinen Reichthum einen hochftrebenden Sinn, und diefen vermehrte nody feine Gattin Zanaquil, aus einem fehr pornehmen Haufe, welche nicht gerne unter ihrem Stande geheirathet haben wollte. Sie konnte die Schmah, daß die Etruster den Lucumo, als Sohn eines verbannten Ankömmlings, zurücdfesten, nicht er⸗ tragen, und entfchlo® fi, nneingedene der angeborenen Liebe zur Heimash, um nur ihren Mann geehrt zu fehen, von Tar⸗ init auszumwandern. Rom fchien ihr der tanglichfle Ost

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Nach Roms Erb. 121. Bor Ehr. Geb. 631 ff. 93

zu dieſer Abſicht; bei dem nenen Volke, wo aller Adel ven geſtern her, und aus Verdienſt entſtanden fey, werde ein wackerer und thätiger Mann feine Stelle finden; dort fey Zatins, der Latiner, König gemwefen, dahin fey von Eures Nama auf den Thron gerufen worden; und auch Ancus fey der Sohn einer Sabinerin, und zähle nır Einen Ahn, den Numa. Leicht beredete fie ihren Dann, -der, ſelbſt ehriüch- tig, in Tarauinii nur feine mütterlidye Heimath fah. Sie wandern mit ihrer ganzen Habe aus nad) Rom. Eben was ren fie beim Janicatum angekommen: hier nahm ihm, als er neben feiner Gattin auf dem Wagen faß, ein mit fchweben: den Flügeln fanft fich niederſenkender Adier den Hut, flog mit lautem Gefchrei über den Wagen hin und her, und fegte, wie von einem Gott zu feimem Dienſte gefandt, ihm denfelben gehörig auf das Haupt; dann verfchwand er in den

Lüften. Frendig foll Tanaquil, eine, wie die Etrusker ind=.

gemein, himmlifcher Erfcheinungen kundige Fran, diefes Vo⸗ gelzeichen aufgenommen haben. Großes und Erhabenes hieß fie ihren Mann, indem fie ihn umarmte, hoffen; ein fols der DBogel, aus foldyer Himmelsgegend und eines fol: hen Gottes Bote fey gekommen, rings über des Mannes

Scheitel habe er fein Zeichen gegeben; aufgehoben habe er die

von Menſchenhand dem Haupte aufgefeste Sierde, um die⸗ felbe auf des Gottes Wink ihm wieder zu geben. Mit die- fen Hoffnungen und Gedanten zogen fie ein in die Stabt, verſchafften ſich daſelbſt eine Wohnung, und gaben fid den Namen Lucius Tarquinius Priscus. Gchon als Fremder amd als veiher Mann erregte er die Aufmerkſamkeit der

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‚74 Livius Rdmifche Gefchichte. Erſtes Buch.

Römer, er felbft förderte fein Glüd, indem er durdy freunds liche Begrüßung, höfliches Einladen und durdy Gefälligkei⸗ ten, Wen er kannte, für fid einnahm, bis man auch am Hofe von ihm fprach; und dieſe Bebanntfchaft hatte er im Kurzem bei dem Könfge, durch den Anftand und durch bie Sewandtheit, womit er Dienfte leifteto, in das vertrauteſte DVerhältniß vermandelf, fo daß er ſowohl an den Öffentlichen als häuslichen Rathſchlägen im Felde und im Innern Theil nahm, und, in Allem erprobt, vom Könige in feinem lebten Willen fogar zum Vormunde feiner Kinder eingefeht wurde,

35. Ancus regierte vier- und zwanzig Jahre lang, je dem der vorherigen Könige an Einfihten und an Ruhm im Krieg und Frieden vergleichbar. Schon waren feine Söhne faft erwachſen. Um fo mehr drang Zarquinius darauf, daß recht bald das Volk zur Königswahl verfammelt würde. Als der Wahltag angefest war, ſchickte er die Jünglinge gegen . jene Zeit hin weg auf die Jagd; und er foll zuerft förmlich ‚um den Thron ſich beworben und eine Rede gehalten haben, ganz darauf berechnet, die Herzen der Bürger zu gewin- nen: „Einmal fuche er nichts Neues: denn er fen nicht der Erſte worüber man etwa zürnen oder fid) wundern könn⸗ te fondern der dritte Ausländer in Rom, der nad) dem Throne firebe. Tatius fen nidt nur ans einem Fremden, fondern aus einem Feinde zum Könige gemaht; Numa, unkundig ter Stadt, fey ohne ein Geſuch, aus freien Triebe zum Throne berufen worden. Zum Undern aber ſey er, fer ‘bald er fein eigener Herr geweſen, mit feiner Gattin und aller Habe nad, Rom gezogen, habe von den Jahren, bie

Nach Roms Erb. 138. Vor Chr. Geb. 614ff. 75

man insgemein öffentlichen Dienſten widme, einen größern Theil zu Rom, als in ſeiner alten Heimath zugebracht; habe zu Hauſe und im Felde unter einem Meiſter, deſſen er ſich nicht ſchaͤmen dürfe, unter König Ancus ſelbſt, Römifche Rechte und Romiſche Säatzungen gelernt; habe in Folgſam⸗ Beit und Ehrerbietung gegen den König mit Allen, in Güte gegen Andere mit dem Könige felbft gewerteifert. Was er fagte, war nicht ungegründet, und einflimmig ernannte ihn Das Bolt zum König. Und fo begleitete dann dem fonft treffe chen Mann auch auf den Thron der Ehrgeitz, welchen er bei der Bewerbung gezeigt hatte. Ebenſowohl um feine Re⸗ sierung zu befefligen, ats um ‚das gemeine Weſen zu fürdern, wählte er hundert Männer in die Zahl der Väter, welche dann Die Gefchledhter vom zweiten Range genannt wurden ; eine zuverläffige Partei des Könige, dem fie ihre Aufnahme in den Rath verdankten. Seinen erſten Krieg führte er mit Den Zatinern und erflürmte dort die Stadt Apioläaͤ. Mit der vie frühere Vorſtellung von dieſem Kampfe übertreffenden Beute, verauftaftete er reichere und prachvollere Spiele als einer der früheren Könige. Damals wurde auch zuerft der Has für die Rennbahn abgeftedt, weldye jest die große heißt, und den Bärern und Rittern Pläbe ausgetbeilt, mo jeder fih Schaufise einrichten durfte; Fori wurden diefe ges nannt. Die Sitze der Zufchaner ruhten zwölf Fuß über der Erde, auf zweisinkigen Pfoften. Im Spiele waren zu ſehen Pferde und Fauſtkämpfer, meiftens ans Etrurien berufen.

Dieſe Spiele wurten von da an alle Jahre gefeiert, und

Yeißen bald die Römifchen, bald die Großen. Derfelbe Ks.

76 Livius Rdmiſche Geſchichte. Erſtes Bud

nig wies auch elnzelnen Bürgern Bauplaͤtze um das Forum an und ließ Hallen und Buden errichten.

36. Auch mit einer ſteinernen Mauer wollte er eben die Stadt umgeben, als ein Krieg mit den Sabinern das angefangene Werf unterbrach, und zwar fo plößlich, daß die Feinde über den Anio jesten, bevor ein Romiſches Heer. ihnen entgegen gehen und fie abhalten Eonnte. In Rom herrfchte daher Beflürzung; und der erfte Kampf blieb, bei großem-Berluft auf beiden Seiten, unentſchieden, Als dars auf bie feindiichen Schaaren in ihr Lager zurückkehrten, und die Römer Zeit gewannen, fih von Neuem zum Kampfe zu rüften, beſchloß Zarguinius, in der Ueberzeuguug. daß es feiner Streitmacht beiouders an Reitern fehle, zu den vom Momulus errichteten Genturien der Ramner , Tirienfer und Zucerer noch andere hinzuzufügen, und Diefe zu feinem bleis benden Gedächtniffe nad) feinem Namen zu benennen. Weil die Romulus nach vorheriger Befragung der Vögel gethun, fo behauptete Artus Navius, ein zu jener Zeit berühmter Vogelſchauer, es könne nichts geändert oder neu angeorduet werten, wofern nicht die Vögel zuflimmen. Der König, heißt ed, darüber zärnend, und feine Kuuft verfpottend, ſprach: wohlan, du Prophet, frage deine Vögel, ob geſche⸗

ben Bann, was ich jest in Gedanken habe? Uls Jener, nach⸗ dem er von deu Vögeln Kunde eingezogen, fprah, ja es werde gewiß geſchehen, fo fagte der König: nun denn, ich babe mir gedacht, du werdeft mit einem GScheermeffer einen Wetz⸗ flein zerfchneiden: nimm dieß, und vollbringe, was Beine - Dögel als möglich ankünden. Da babe Jener ungefäumt den Wegſtein zerichnitten. Cine Bildfänle des Attus mit vere

Nah Roms Erb. 138. Bor Chr. Geb, 614ff. 77 |

hülltem Haupte hat an dem Orte geſtanden, wo die Sache vor fiel, auf dem Wahlplatze, und zwar auf der Treppe, zur Linken des Rathhaufes. Auch der Wesftein fol ebendaſelbſt niedergelegt geweien feyn, damit er ein Denkmal des Wun⸗ ders bei den Nachkommen wäre. Den Vogelzeichen wenig- ſtens und dem Priefteramte der Vogelſchauer wurde fo große Ehre, daß in Krieg und Frieden von jegt an nichts ohne Befragung der Vögel gefchah, daß Volksverſammlungen, eins berufene Heere, die wichtigften Gefchäfte, wenn die Vögel nicht zuftimmten, ſich auflöfen mußten. Auch damals änderte Zarquinias nichts an den GEenturien der Reiter, fondern machte fie nur noch einmal fo ſtark, fo daß die drei Centu⸗ rien ans achtzehnhundert Mann beftanden. Die Hinzuge: kommenen behielten den alten Namen, nur mit dem Beifage: die neuen; jest fagt man, weil fie verdoppelt worden find, ſechs Centurien.

37. Rachdem dieſer Theil der Truppen vermehrt war, wurde wiederum mit den Sabinern geſtritten. Aber nicht nur hatte das Römiſche Heer an Staͤrke gewonnen, auch eine Lift wurde indgeheim noch angewandt, und durch hinge⸗ fhidte Leute eine große Menge Holzed, das am Ufer des Anio lag, brennend in den Fluß geworfen. Und da das Holz, mit.Hülfe des Windes entbrannt, und großentheils auf Flößen gegen die Pfähle getrieben wurde, und zwifchen biefen ſtecken blieb, fo gerieth die Brüde in Flammen. Schon während: des Kampfes verbreitete dieß Schrecken un⸗ ter den Sabinern, und als fie gefchiagen waren, hinderte es ihre Flucht, und viele Menfchen, die dem Feind entrons nen waren, kamen im Fluffe um: ihre auf ber Tiber an

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8 Livius Romiſche Geſchichte. Erſtes Buch.

die Stadt ſchwimmenden Waffen brachten dorthin Kunde vom Siege faft bevor er noch gemeldet werden konnte. Vor⸗ züglichen Ruhm erwarben ſich in diefem Gefechte die Reiter; auf beiden Flügeln aufgeſtellt, follen fie, als das Fußvolk im Mitteitreffen ſchon geworfen wurde, fo hitzig in die Flanke eingebrochen feyn, Laß Die den Weichenden hibig zufebenden Sabiner ⸗Schaaren nicht nur innehalten mußten, fondern auf einmal die Flucht ergriffen. Die Sabiner eitten in vollem Laufe den. Bergen zu, aber Wenige erreichten fie, Die Mei⸗ ften wurden, wie oben erzählt ift, von den Reitern in den Fluß gefprengt. Zarguinius wollte den Beflürzten auf dem Nacken bleiben, fchickte die Bente und die Gefangenen nach Kom, verbrannte die feindlichen Ruͤſtungen in einem aufges thürmten Haufen, fo war ed dem Vulkanus gelobt wor⸗ den und ‘zog fort, mit: dem Heere tiefer in’s Sabinifche einzufallen. Und obgleich fie das Treffen verioren hatten umd nicht hoffen Eonnten, ein anderes zu gewinnen, rückten die Sabiner doch, weil ihnen Leine Zeit zur Berathung blieb, mit einem Aufgebot entgegen, wurden hier abermals gefchlas gen und baten-, da faft Alles für fie verloren war, um Frieden.

38. + Collatia mit feiner ganzen Markung wurde den Sabinern abgenommen. Egerius, der Brubersfohn des Kö⸗ niges ward in Collatia mit einer Beſatzung zurüdgelaffen, Und zwar-übergaben fich, wie ich finde, die Collatiner alfe und dieſes ift die Formel der Webergabe. Der König fragte:. „Geyd ihr die Abgeordneten undgSprecher, vom Eollatini⸗ ſchen Volke gefchickt, um euch und das Eollatinifhe Volk zu übergeben 2. „Wir find.’ „Kann das Collatiniſche

Nach Roms Erb. 138, Bor Ehr. Geb.6ı4ff. 19

- Bolt frei. über ſich verfügen?’ „Ja!“ „‚Webergebet ihr euch und das Collatiniſche Volt, Stadt, Land, Waſſer, Grenzen, Tempel, Geräthe, alles was Göttern und Men: fhen angehört, in meine und des Römiſchen Volkes Ger walt?“ „Wir übergeben es.“ „Und ich nehme es an.“ Nach Beendigung des Sabiniſchen Krieges kehrte Tarquinius triumphirend nach Rom zurück. Darauf bekriegte er die Alt-Latiner; wobei es nie zu einer Hauotſchlacht Fam. »Indem er die Grärte einzeln nad) einander angriff, bezwang er das ganze Volk. Cornicufum, Alt⸗Ficulea, Cameria, Eruftumerium, Ameriola, Medullia, NRomentum diefe Städte nahm er den AltsLatinern oder den zu ihnen Abge⸗ fallenen ab. Darauf ward Friede gemacht. Und nun wur⸗ den Werke des Friedens mir einem die Kraftanftrengungen im Kriege noch überbietenden Geifte begonnen, damit dag’ Volk nicht ruhiger ‘zu Haufe wäre, als es im Felde gewe⸗ fen. Denn nicht nur fchickte er fih an, mit einer fleinernen Mauer, tem Werke, welches in jeinem Beginne der Gabis nifche Krieg geflört hatte, die Stadt, da wo ſie noch nicht befeftigt war, zn fchließen, fondern er trocdnete auch die tief fien Theile der Stadt bei dem Forum und andere zwifchen den Hüneln liegende Thäfer, weil man aus den Niederungen das Wafler nicht gut ableiten Fonnte, dadurch aus, daß er unteru diſche Schleufen von oben herab bis an die Tiber an⸗ leqgte. Auch zu einem Tempel Jupiters auf dem Capitol, welchen er im Sabiniſchen Kriege geiobt hatte, ließ er den Raum, ſchon ahnend die künftige Herrlichkeit des Ortes, mit Srundmatern einfaffen.

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do Livius Römifche Geſchichte. Erſtes Buch.

59. Zu diefer Zeit ereignete fich in dem königlichen Patafte ein in Hinfiht auf Aublick und Erfolg wunderbares Zeihen. Einem fdhlafenden Knaben, Namens Serpius Tullius, fol vor den Augen Vieler das Haupt gebrannt baden. Das laute Gefchrei über dem großen Wunder habe auch das Königspaar herbeigezogen, und da einer von den Dienern Waffer zum Löſchen brachte, ſey derfelbe von der Königin zurüdgehalten worden; fie habe den Lärmen geftilit und verboten, ven Knaben zu flören, big er von felbft er- wachen würde. Bald fen mit dem Schlaf auch die Flamme verſchwunden. est nahm Tanaquil ihren Mann bei Seite und ſprach: „Siehſt du diefen Knaben, den wir in folcher Tiedrigkeit anferzichen? Wille, daß er einft in bedent-- (iher Lage für uns eine Leuchte ſeyn wird und eine Stütze für das hart betroffene Königshaus! Darunı Taf ung mit der liebenoliiten Sorgfalt ein Wefen pflegen, aus weichem ungemeine Ehre dem Staate und uns erwachfen wird.‘ Bon nun an fey der Knabe wie ein Kind gehalten und in Allem unterrichtet worden, wodurch -der Geift zum Erftreben eines hohen Standes angeregt wird. Leicht ges lang, was im Rathe der Götter war. Er wurde ein Jüng⸗ ling von wahrhaft königlichem Sinne, und als Zarquinius nad einem Eidame fit umfah, konnte kein junger Römer in irgend einer Kunft mit ihm_verglichen werden. Der Kö⸗ nig verlobte ihm feine Tochter. Diefe große Ehre, aus wels dem Grunde nun fie ihm verliehen fen, verbietet anzuneh⸗ men, daß er einer Sclavin Sohn und als Knabe feibft Sclave gewefen ſey. Vielmehr trete ich Denen bei, nad

weichen bei Eroberung Corniculums die fchwongere Frau

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Wu Roms Erb, 138, Wir Chr. Geb. 614 ll. 81

des erfchlägenen Handtes jener Stadt, Gervius Zultins, une ter den Übrigen gefangenen rauen erkannt, wegen ihres oben Adels von der Romiſchen Königin vor Gclaveret ge⸗ ſchüdt und zu Rom im Haufe des Tarauinius Prifens von diefem Sohn entbunden wurde. Die große Gnade babe

wicht nur die Grauen mehr und mehr zu Freundinnen ge:

macht, ſondern auch dem Knaben, als von Stindheit an im Haufe anfgewachien, ſey Liche und Ehre zu Theil geworden; das Schickſal feiner Murter aber, weit fie nady Eroberung det Daterkadt in feindliche Hände gefallen, habe den Blau;

ben, er fey einer Sclavin Sohn, erzeugt.

40. Baft acht und dreißig Jahre lang hatte nun Tar— aninius regiert, und Gervius Tullius war nicht nur bei dem Könige, fondern auch bei den Vätern und ben Bürs. gern vor Allen hochgeehrt. Zwar hatten es die zwei Soͤhne

des Aneus von jeher für höchſt empbrend gehalten, daß ihr

Dormund bintertifiig fie um ihres Vaters Thron gebracht, daß in Rom ein Ankömmling, nicht einmat von Italiſchem, geſchweige denn von mitbuͤrgerlichem Stamme König fey;

aber um ſo heftiger wuchs jest ihr Unwille, wenn nicht

einmal von Zarguinius die Krone an fie zurückkehren, ſon⸗ bern jähen Falls ſofort auf Sclaven hinunterſtürzen ſollte, fo daß in demſelben Staate, etwa hundert Jahre, nachdem Homulns, eines Gottes Sohn und ſelbſt ein Gott, fo lange: er auf Erden gewandelt, den Gcepter geführt batte, ein Selave, einer Sclavin Sohn, diefen in die Hände faffe, Fine Schmach für alle Romer insgeſammt, eine Schmach für Ar Haus insbeſondere würde es fepn, wenn, während -

Livins, 46

mannliche Eprößfinge von König Aucu⸗ leben, nicht nur ra, W 6

te Livius Rdmiſche Geſchichte. Crſtes Bucho Fremdlingen, ſondern ſogar Sclavon der Weg zum Romi⸗ ſchen Throue offen ſtünde. Mit dem Schwerte: befchloßen fie daher, diefen Schimpf abzumenden. Aber nicht nur Das Gefühl des ertittenen Unrechts reiste ſie mehr gegen Tar⸗ guinius feibft als gegen Servius, fondern auch die Bes trachtung, daß der König, wenn er am Leben bliebe, des Mord Schwerer als der Bürger rächen; ferner, daß derfelhe, - wenn Gervius ermordet wäre, jeden andern zum Eidam Erwaͤhlten ohne Zweifel aud zum Thronerben machen wär: de. Aus diefen Gründen wurde. dem Könige feib nad dem Leben geftellt. Zwei der verwegenften ‚Hirten, zur That erfeben, beide mit ihrem gewöhnlichen Yeldgeräthe, - zogen im Worhofe des Palaſtes durch fcheinbare Händel, - welche fie mit dem größten Lärm führten, alle Löniglichen Diener herbei. Nun beriefen ſich beide anf den König, und ihr Gefchrei drang bis in's Innere des Palaſtes. Mor den König befchieden, gingen fie hinein. : Anfangs fchricen beide zumal, und Einer fiel.dem Andern in die Wette in's Wort, his fie, vom Lictor zur Ordnung gebradt, und Einer nad bern Undern zu fprechen angewiefen, endlich ſich zu untere brechen aufhörten. Einer fing, nach Verabredung, die Sache vorzufragen an. Indeß der König, aufmerkend, ganz gegen ihn fih wandte, erhob der Andere die Art und hieb ihm im den Kopf, lieh das Eiſen in der Wunde ſtecen, upb beide ftärgten zur Thüre hinaus,

hrs Während die Umftependen den fterbenden Tasapie aus auffingen, ergriffen die Lictoren die Flüchtigen. Nun entſtand ein Geſchrei, das Volk lief zuſammen und fragte verwundert, was es gebe? Tenagnit aber lies unser beus

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Aad Romd Crb..176 Vor Chr. Geb. 576} BI

Larm den Dataft fließen, und wies alle: Jeugew hin» ans, ſchaffte auf der’ einen Seite, als ob noch Hoffnung wäre,. emfig, was zur Heilung der Wunde :nöthig war, - erbei; traf aber audy. in gleidyer Zeit, falls die: Hoffaung tauſchen ſoilte, andere ſichernde Vorkehrungen. Eilig ließ fie Serdius rufen, zeigte ihm ihren mit dem Tode ringen⸗ den Wann, ergriff feine Rechte und bat, er möchte den Zod feines -Schwäbers nicht ungerächt, möchte feine Schwies germutter nicht ihren Feinden zum Spotte werden laflen. „Dein if, ſprach fie, Servius, wenn du ein Mann bift, der Thron: nicht jenen, die mit fremden Haͤnden die res velthat vollbracht! Ermanne did), folge der "Leitung ber Götter, weldhe durdy das göttliche Feuer, womit fie einft dein Haupt umftrahiten, feinen Blau; verfündiget haben. Jetzt wede did jene himmliſche Flamme! jetzt erwache wahrhaft! Uud wir waren Fremde und wurden Könige. Wer du ſeyſt, nicht, weilen Sohn, bedenke. Wenn es in der Ueberraſchung dir an Rath gebricht, fo folge meinem.‘ Als das Geſchrei und der Zudrang der Menge fat unwi⸗ detſtehlich wurde, redete Tanaquil vom oberen Gtode des Hauſes, aus ben nady ber neuen Straße gehenden Fenſtern (air König wohnte nämlid bei dem Tempel des Jupiter ‚Gtator) , zu deut Balke: „es folle ſich berußigen. Der Kö⸗ aig fen durch den unerwarteten &chlag nur ‚betäubt) wor« den; das Eifen fey nicht tief. eingedrungen ; bereite ſey er wieder zu ſich getommen Ban Habe das. Blut abyewar {chen und die Wunde befehen; Alles ſtehe gut ; er hoſſe ge wiß, in 'wenigen Tagen. ſich ihnen felbft zu zeigen. Unter⸗ deſen befehle er dem Volke, dem Gereius Znkins Ser

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B4 Livind Mömifche Seſchichte. Erfies Bud.

ſam zu leiſten. Dieter werde Necht ſprechen, und ale Abes gen Berhälte des Königs verſehen“ GSerrius erſchien im Kanigsmantel mit den Lickoren, febte ich auf den: Lünigk den Stuhl, eittidhied einiges, über anderes gab er vor, don König befragen zu wollen. Und fo wurde mehrere Tage lang, ald der König ſchon geftorben war, deffeiden Tod ver⸗ hehlt; Servius aber, ſcheinbar nur eines Apdern Stelle vertretend , befefligte feine Macht. Jezt erſt esfolgee bie Belanntmachnng, die Klage wusde im Palaſte angeftinmt, und Servius, von einer ſtarken Wache gefhhügt, beftieg, der erfte ohne Wahl des Bolkes, mit der Bäter Willen den Thron. Die Söhne des Aucus waren fogleich, da bereits die Werkzeuge ihrer Frevelthat ergriffen waren, umd fie hörten, der König lebe und Serdius habe ſolche Macht, nad, Gueffa Pometia in die Derbanuung gegangen. 43. Und mun fuchte Servins micht nur durch öffentli- che, fondern auch durch häusliche Maßregeln ferne Macht gu befeſtigen; und damit nicht die Göpne des Tarquinins gegen ihn geflmmet wären, wie Ancns Göbue gegen den Zaraninius, vermäßlte er feine beiden Töchter an die Bi nigsſoͤhne Sucins und Aruns Tarquinius. Dec, alle feine menfdylihe Kugheit vereitelte nicht ben Schluß des Ber dangniſſes, daß nicht der Neid um ben Thron felbft nuter den Gliedern Eines Hauſes Zrentoflgteit und Feiudſchaft Rmiftete. Als fehr erwünscht zur Erhaltung ber gegenwäͤrti⸗ gan Ruhe mirde der Krieg mit den Vejentern denn ber Maſfenſtiliſtand war mem . abgelaufen und mit aubern Etruskern wariffen. In diefem Kriege zeigte ſich die Ta⸗ pfertuht und Dan Bär des Tullins in wollen: Slauz, nnd

Nach Rems Erb. 197. Ber Chr. Geb. 565 ff. 8 er dehrte, nachdem er ein großes ſeindliches Heer geſchla⸗ gen, nach Nem zurück, des Thrones gewiß, er medte ed auf der Wäter oder auf der Bürger Geflunungen aukommen Gaffen. Jest ſchritt er zum alleegrößten Werte des Frie⸗ weten, fo die Macwelt ben Serdins rühmen mödte als den GSrunder alles biärgerlichen Unterſchiedes und der anf ven Softufungen der Ehre und Habe berubenden Stände. Er ordnete nämlich die Schahnug an, Die heilſamſte Einrichtung für ein zu folder Größe beſtimmtes Feich, weidher gemäß in Krieg und Frieden nicht wie bisher nach den Köpfen, foudern nad dem Dermögensflande die Dienfte geleiftet wer» ven ſollten. Darauf fepte- er nach Maßgabe der Schatzung Eiaffen und Eenturien und folgende für Krieg und Frieden Wied) feine Orpmung fe. | 45. Uns Denen, welche hunderttaufend Kupferaß oder darkber im Wermögen hatten, bildete er acht zig Centurien, vierzig der Weiteren und vierzig der Tüngeren. Alle zuſam⸗ men hießen Die erfte Claſſe. Die Welteren foliten zur Ber⸗ Weidigung der Stadt gewärtig teyn, die jungen Männer draußen Kriege führen. Als Schuzwaffen mußten fie ſth anſchafſen einen Sehn, einen runden Schild, Beinſchienen, einen Danzer, «lies von Erz; fo viel zur Bedeckung des Alnpers. Wis Trupwuffen gegen ben Feind eine Yanze und din GSchwert. Sn diefer Elaffe kamen noch zwei Eenturien rbeltteute , weite unbewaffnet dienen ſolten; ihre Wie gabe wire, vie Ariegewertreuge fortzubringen. Die zweite ae beſtand aus denſenigen, weiche ein Vermögen zwi baen hendertrauſend U und fünf uud (ebsigseufend batten;

| 35 Llvius Römifche Geſchichte. Ehe. Buch

aus ihnen wurden, Aeltere und Jüngere: zuſammen, Amanzig Eenturien gebifdet; die Waffen, welche fie haben mußten, waren ſtatt des runden ein langer Schild; ſonſt, den Kara niſch ausgenonmen, Alles gleich. Die -deitte Einffe mußte

ein Dermögen bis auf -fünfzigtanfen® AG haben; auch fie bes

»,. fand. aus eben fo vielen Genrurien. mie gleihem. Unserfchiene

des Alters. Auch an der Rüftung wurde nichts geandert, nur die Beinfchienen fehlten. In der⸗ nierten- Claſſe betrug das. Bermögen wenigftens fünf und zwanzig tayfınd Aß; fie begriff. cben fo viele Eenturien; die Rüſtung war anders; fie hatten. zur Lanzen und Wurfſpieße. Die-fünfte Strafe hatte mehr Genturien, nämlich dreißig an- der Zahl; fie führen Schleudern und Schleuderſteine. Zu ihnen gebörten die. Ueberzaͤhligen, die Hornbläfer und Trompeter, in drei "Genturien getheilt. Die Mitglieder. diefer Claſſe mußten eifttaufend Up haben. Das übrige Volt, melches weniger batte, kam in die fechste Elaffe; ans ihr wurde Eine Gen- turie gebitdet, die frei vom Kriegsdienſte war. Nachdem er das Fußvolk alfo ausgeflattet und eimgetheilt,. bildete 4x aus den eriten Bürgern zwölf Reitercenfurien,. -Desgleichen fhuf er. aus den drei von Romulus errichteten noch ſechs andere, mit Beibehaltung ihrer durc die Wogelzeichen Ber ſtimmten Stiftungsnamen, Zum Ylntaufe.der. Pferde wure den, jedem zehntanfend Kupferaß ans tem Schatze gearbgr, und zum Unterhalte der Pferde wurden fie an dis Wien gewie eu, welche jaͤhrlich Jedem zweitaufend Kupferaß bezah⸗ Sen ſollten. Alle dieſe Laſten wurdee von den Armen abe, anf. die Reichen: gewaͤlzt. Dafür wurde Diefen Tan mehr EGhhre zu Theil. Denn nicht nnd -Sägfen „mie. mark: Rene

Rah Noms Erb. 197. Vor Chr. Seb. 556 ff. 87

Ind ‚Einrichtung die Übrigen Könige es gehalten hatten, werde von allen Bürgern ohne Unterfchied mit gleichem Ge⸗ wicht und Recht geſtimmt, fondern es wurden Abſtufungen gemacht, fo daß zwar Niemand vom Stimmrecht ausgefchlofs fen ſchien, aller Einfluß aber auf Seite der, bedeutendfien Bürger war. Zuerft nämlich wurden die Ritter aufgerufen, dann die achtzig Eenturien der erften Elaffe; waren bier die Stimmen verſchieden, was ſelten eiutraf, fo follte die zweite Glaffe aufgerufen werden ,. und wahl nie ſollte man.fo weit heranterfteigen müfen, daß man bis zu den Lepten käme. Sudeflen darf man fi nicht wundern, "daß die gegenwärtige Drdnung, nachdem volle fünf und dreißig Tribus geworden find, deren Zahl durch die Genturien der Velteren und der Jüngeren verdoppelt iſt, mit der von Servius feſtgeſetzten Summe nicht mehr zuſammentrifft. Denn er theilte die Mtadt nach den damals bewohnten Gegenden ‚und Hügeln de.pier Bezirke, welche er Tribus nannte, wie ich glaube von’ Zribatum [d, i. Steuer] ; deam auch eine nach dem Der mögen gleichbemeßſene Steuer fühzgte ;diefer König ein. Es besten aber dieſe Bezirke keinen Bezug auf die Eintheilung in Centurien und auf deren Babl:

: 44. Nachdem die Schatzng geendige war, welche er such ein..Grieg befchtennigte, das jedem Nichtgeſchätzten Geföngmiß und Ted: drohete, michte ev bekaunt, alle Ro⸗ ischen Bürger, Ritter und Fußgänger folfen. jeder iu fer ner Genturie, auf dem Marsfeide mit Tagesanbruch er⸗ ſcheinen. Hier .ftellte er das. ganze Heer in Drdnung und ontötter für Dafpibe ein Schwein, ein Schaaf und einen ; Bulipn sn. Shut dich Maier detam den Ramen Schabungta⸗

88 Linie Roeulſche Mefchichte. Erfisd Vuch. Ad (Euſtrum), weil hient die Gihepung beſchleſſen wur⸗ de. Achtaigtanſend Bürger fallen bei. dieſem Schapunges ſchluſſe gezaͤhlt worden ſeyn. Dex altete Geſchichtichreiber, Fabins Pictor, ſeßt bei, fo viele ſeyen der Wafenfäfigen gemeſen. Fur diefe Volksmenge fchien auch eine Erweiter rung der Stadt vonndtben. Ex zog die beiden Hügel, | Quixinaliſchen und den Wiminaliſchen zu derfelben. überbanfe er nad und nach auch Me Esquilien, und natzn Rafelbft, um die Begend zu ehren, feinen Wohufig. Er um geb die Stadt mit Wal, Graben und Manern, und rüdte den Zwinger [dad Pomdrium] weiter hͤnaus. Wer auf bloße Wortabteitung fieht, erklärt Vomdrium du biuter der Mauer.“ Es iſt aber wieluche de - Heiden Geiten ber Mauer, weichen vor Ylsers. di Bei Erbanung von Etädten, da wa file * ren wollten, ringenm abſteckten, und pt Bögel einweiheten, theits dawit nie iun gemein gefikicht, Hänfer bis hart an die io Waner him würden, theils damit and außen ein freier, von dem Anban lediger Raum bliebe. Diefen Kaum, der überbaut noch gepflügt werden darſte, nanuten Romrr, eben ſowohl weil Die Mauer hinter ihm, abe weil . ex Winter dor. Maner war, Pomdrium, und immer wurden bei einem Zuwachſe der Stadt auch dieſe ——— Grm ‚yon um ſo viel weiter binansgefopt, als Die Manern hinans⸗ raden follten. 4. Wis mit ber erweitesung: Deu Start die Bisyn Schaft vermehrt und au Junern für Der Duecke des Krise uud des Feledent Yes eingeuchtet war, venfute de

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WER 197. Vor Chr. Geb.5856 Big vius, um nicht immer nur durch die Waffen Macht zu‘ ers vingen, durch Ktugheit die Herrſchaft au erweitern und zu⸗ dei den Glanz der Stadt au erhöhen. Schon damals wer der Diauentempel zu Epbefus berühmt; diefen hatten, wie die Sage ging, die Stadte Aliens gemeinfchaftlich er⸗ baut, Indem Gerofus Eintracht und gem:infamen Götter dienſt ungemein genen die Häapter der Lutiner lobte, mit

"weichen. er abſichtiich für den Staat und für fein Haus gaſt⸗ liche Verbättniffe und Areundfchaft gefchloffn harte, brachte

eu durch öftere Wiederhetung deſſeiben Gedantens endlich es dahin, Daß die Latiniſchen Böker gemeinfchaftiich mit dem Nömifchen Votk einen Dianenrempel sn Rom baueten, Darin lag das Vekenntniß, Daß Rom die Hauptſtadt ſey, um weichen Woman fo -oft arkampit worden war. Gchien aber diefer Uniprud wegen fd vieler unglüctichen DBeriuche, ihn wir dan Wäaſſen zu errtugen, nunmehr von allen Latte worn aufgegeben, fe Dagegen Einem der Gabiner dad Eilũud fi anınbieren, nm allein, durch kingen Math, die Derrſchaft feinem Worte wieder zu aewinnen. Im Sal wilden fol ein Hausvater eine Kuh von bewundernewer: her Größe und Gehränhelt aufgezogen haben. Ihre, viele VDefdaechter hindurch am Eingange Des Danentempels bir fekigten, Hörner, waren ein Denkmal dieies Wunderthiers. Die Sache wurde mit Necht für etwa« Bedeutfames ge⸗ halten, nad Vie Seher weiffagten derjenige Staat werde die Herrſchaft ertangen, de ſſen Bürger der Diana dieße Auf spfern warde; mn fotde Weifſaaung war dem Worfteher

ws Diementenyeid su Ohren gefommen. Tm erfien Tage, u

19 ca Eye zeeignet ſchien, tüdıre der Gabinee

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feine Kuh nach Rom in deu Diauentempel, nnd flellte fie vor den Altar. Da redete der Römifche Priefter , aufmerk⸗ ſam gemaͤcht durch die vielgepriefene Größe des Opferthiert, der Weilfagung eiugedenk, den Sabiner alfo an: „Was baſt du nor, Fremdling, ſprach er; unrein der Diana ein: Opfer zu bringen ? So waſche did) doch vorher im Aießenden. Waffen! Unten im Thale fließt die Ziber vorbei.” Dies fiel dem Sremdlinge, welcher, damit der Erfolg dem Seichen mes ſpreche, Alles recht zu machen münfcbte, auf das Herz, uud ar ging aus dem Tempel zur Tiber hinab. Uatexdeffen opfert der Römer der Diana das Rind, zu ungemeiner Freude des Königs und der Bürger. - 46. Servius hatte zmar- bereits durch vieljährigen Be fi den Throu unbeflritten inne; weil ex jedoch boͤrte, daß der junge Taraninius manchmal aͤußere, er herrſche ohne Scheiß des Moikes, ſo wagte er’d, nachdem er zuvor ber Meigung ber Bürger dadurch ſich verfichert Hatte, daß er die dem Feinde abgennmmenen Felden unter.fie, Mann für Maun, nertheilte, ihnen die Frage onrzuiesen : ob das Voit es wolle und gut heiße,. daß er König. ſed; und wurde; ie einſtimmig, als Bein anderer vor ihm, zuun Könige epklaͤrt. Doch. ſchreckte dieſes den Tarquinjus wicht ab,- ner) DM. Ihrone zu firchen, vielmehr glaubte. er jeßt, weil er he⸗ "merkt harte, daß die Felder, gegen den Willen der Vaͤter, ginter die Bürger: veriheilt morden ſeyen, Gelegenheit sw. dahen, deu -GServins um fe eifriger, bei den Watern anzu⸗ fhmärzen und im Seuate ſich Einfluß zu verichaffen, or ſeloft ein junger Mann non glühemter Gerie, mut: vermählt wir. Alias: weiche. fein. murnkignk- Weägh mad mehr Or

Mach Roms Erb. 197. Mor Chr. Sch. 555 ff,

ſeuerte. Denn auch das Remiſche Konigshaus bot ein Bei⸗

Wiek tregiſchen Greuels dar, damit Abſcheu vor Königen

die Freiheit früher herbei führte, und der leute König der⸗

jenipe wäre, welcher es durch Frevel geworden. Diefer Lu⸗ eins: Zargainins (ob ein Sohn oder ein Enkel des alten Tarquinins ‚, iſt unentſchleden, doch nach den meiſten Ange ben moͤchte ich. ihr deſſen Sohn nennen) hatte einen Bru⸗ der, Aruns Zarauinius, gehabt, einen jungen Mann von fanftem Gemüthe. An diefe beiden waren, wie oben erzähft wu , die beiden Tulfien, Toͤchter des Königes, vermählt, auch fie von ganz unägnlichem Sinne. Das Schickſal hatte ed gefügt, daß nicht zwei gleich ungeſtüme Gemüther durdy Die Ehe verbunden murden, ich glaube zum Gfüde des Rös mischen Volkes , damit Serdixas um fo länger herrſche, und

die Einrichtung des Staates Feſtigkeit gewinnen koͤnnte,

Bol: linmushs war die wilde Zulfia, daß in ihrem Manne feige. Uninge zu Ehrzeis und Kühnheit fen. Ihr ganzos

'Oan; wandte ſich dem andern Tarauinius zu, ihn bewun⸗

Masıe , ihn.oaunfe fie einen. Mann, einen Konigéſohn; fe werachtete ihre Schweſter, weil diele, isn Befise eines Man⸗ we, eſs an weiblicher Kühnheit fehlen laſſe. Bald vereis wage Beide, wie zu -gefcheben pfleat, die Aehnlichkeit des inne, denn Böles paßt am eheſten fid, dem Böfen an;

dech der Aufang alles Unheils Fam vom Weibe. Sie, ein⸗

wel: an geheime Miterreduugen mit einem fremden Manng genehkat., ‚Läflerse.. ohme ‚ale Schonung auf ihren Maun 9%

un ſeiven Nruder, anf ihre Schweſſer gegen-deren Manny U Iebeuntäte, Hehar wäre fie ledig, er chelos aeblieben al de ſie, jnsfaen Mibbeiratb, an frember Feicheit er⸗

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42- Livins Rdmiſche Gelhigte. Erfed Sud:

fdylaffen müßten. Hatten die Bötter ihr den Mann, fen fie würdig ſey, gegeben, fie würde bald im die Krone gefehen baden, welche fie auf ih Haupte fehen muͤſſe. Schnell ſtedte fie den j mit ihrer Frechheit an. Aruns Targuinind und d Tultia machten, indem fle far unmirtelbey nach | Brabe getragen wurden , zu neuer Ehe Pas umb

- den vermählten Ach, nicht ſowohl mie Billigung I laffung des Servius.

47. Und nun wurde mit jedem Zage ge lange Leben des Tullius, gefaͤhrdeter fein Th Bereits dachte das Weib vom erſten Frevel auf dem ‚sen, und ließ weder Wachts noch Tags ikren Man daß die begangenen Seſchwiſtermorde nicht veugeblid ren. „Es habe ihr micht an einem gefehlt, deſſen Frau fie heißen, mit dem fie ſchweigend habe nechten können; ge⸗ fehlt babe ihr einer, der Ad) des Thrones wäre sleadee; der fich ermnerte, daß er des after ber lieber eine Krone haben als hoffen weise, derjenige, deſſen Frau zu feyn ich glaude, fe dich beides Mann und Köuig; wo ** fo de jetzt um fo ſchlimmer geworden, wei bier noch Berbrechen ſich gefellt. Raffe dich 3 von Corinthus, nicht von Targumis her, wie dein | einen fremden Thron zu erſtreden; die tter deines fed, deıner Vaterſtadt, des königkichen Daters dieß Pönislihe Haus, und in dem * - Wuigiiihe Grup, und dein Name Tarquinkus male RnB zum Könige. Oder fehlt es Dir uw Mas Dazu,

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By Nems Erb. 197. Br Ehr. Geb.555f. 95 - He du die Bürger? warum zeigſt du Dich als Könige een? Mache did, weg von bier, nach Tarquinii oder nach Coriuthus. inte zurück zu deinem Urſprunge; du, deinem Bruder ähnlicher ald deinem Vater!“ durch diefe und aͤhn⸗ tiche Vorwürfe ſtachelt fie ben jungen Mann, und fie ſelbſt Bounte nicht ruhen, wenn Tanaquil, eine fremde Grau, fD Großes habe ausführen finnen, zwei Kronen nach einander dem Gatten and deranf dem Eidam aufzufesen, fie aber, aus königlichem Blut entfproffen, nicht au Eine Krone Selite geben oder nehmen können. Durch diefe.Zurie von meib gereist ging Tarquinius herum, that befonders den Bätern aus den jüngern Gefchlechtern ſchön; erinnerte fie an feines Vaters Wohithat, forderte dafür Vergeltung, lockte die Junglinge durch Gefchente an, gewann Anhang aller Orten, theils indem er von ſich Außerordentliches verſprach, tgeils durch Werläumdung des Könige. Endlih, als nun.

ber Ungenblid zur Tat gekommen ſchien, brach er, um⸗ ringt von einer Schaar Bewaffneter, auf. das Forum ein, feste ſich, indeß Ulles von Schrecken ergriffen wat, vor Dem Nathhaus auf den Höniglichen Stuhl, und ließ durch "ven Herold die Väter zu König Tarquinius in die Eurie entbieten. Sie verſammelten fich alſobald, die Einen ſchon feäher baranf vorbereitet, die Andern aus Furcht, Ausblei⸗ sen möchte Ichlimme Folgen habew, betänbt durch das. Un⸗ erwartete und Unbegreifliche der Sache, und in der Meis mmg, um Gerbins fen es bereits geichehen., Da begann Tarquinius feine Schmaͤhnngen von der niedrigen Geburt Bei GServius: „Bin Schave, einer Sclavin Sohn, ‚habe der⸗ übe, nach feines Waters: unverdientem Tode; ohne Daß, we

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94 Livius Roͤmiſche Geſchichte. Erſtes Mad.

- fenft, eine Zwiſchentegiernng eingetreten, ohne daß Wahll⸗ verfammlüng. gehalten worden, ohne des Botkes Grimme, ohne der Väter Bebräftigung, aud eines Weibes Hand: pie Krone fid) genommen. So geboren, fo zum Könige gewähft, ein Gönner des niedrigften Pobels, aus dem er felbft ents foroffen, habe er, ans Haß gegen fremde Ehre, den Eriten des Volkes ihre Ländereien entriffen und unter Die Hefe ver⸗ theilt, alle Zaften, welche ſouſt gemein geweſen, auf die vor⸗ nehmſten Bürger gewälzt, die Schatzung eingeführt, da⸗ mit der Glückſtand der Reicheren dem Neide ſich darſtellete, und bei ihm ſtünde, nach Belieben davon die Armen zu be⸗ ſchenken.“

48. Dieſe Rede unterbrach Serdius ‚der, durch einen Eilboten aufgefhredt, glei im Eingange der Eurie mit lauter Stimme rief: „was foll das ſeyn, Taraninins? mit weicher Stirn: haft du dich erkühnt, bei meinem Leben Die Bäter zu rufen? oder auf meinem Stuhle zu fisen?” Als jener trogig darauf erwiederte: „er fibe auf feines Vaters Gtuhle; mit weit mehr Recht, al6 der Gchave, fey der nigsſohn Thronerbe; fange genug babe jener mit frechem Hohne den Fuß auf den Naden feiner Herrn geſeßzt!“ ſo erhoben die Anhänger beider ein Gefchrei, das Bolk lief nach dem. Rathhaufe zufammen, und mean fah, König wärbe fegn, wer fiege. Da wagte Tarquinius, nunmehr auch von deu Notb gedrängt, das Aenßerſie, umſchlang, an Jahren uud Kräften weit überlegen, den Serving, teug ihn aus. der Burie, und warf ihn bie Treppe hinab. Darauf kehrte er, um den Senat beifammen zu behalten, in bie Eurie zurück Die Diener, die Begleiter des Könige Mohn. Er. feibk,

Nach Rome Erb. 220, Wor Chr. Geb. 532 ff. 98 beinahe‘ leblos, wollte Ach wit feinem zitternden Geleite

nach Hauſe begeben und hatte ſchon das Ende der Cypri⸗ ſchen Gaſſe erreicht, als er von denen, welche Tarquinius dem Fliehenden nachſchickte, eingeholt und getoͤdtet wurbe. Man glaubt, weil es zu ihren übrigen Freveln paßt, ed ſey auf Rath der Tullia geſchehen. Wenigſtens fuhr ſie das weiß man beſtimmt in ihrem Wagen auf das Forum, Def, vhne Scheu vor einer Verſämmlung von Männern, ideen Manıt aus der Eurie, und. war die Erſte, die ihn Kös nig nannte. Als fie nun, von diefem aufgefordert, fih aus fo,großem Getümmel zu entfernen, nadı Haufe zurückkehrte, und an das Ende der Cypriſchen Gaffe, wo vor Kurzem noch ein Dianentempel fland, gefommen war, und rechts in den Birbifhen Steig den Wagen lenkte, um auf den Es quiliniſchen Hügel hinanfzufahren, wollte der bebende Kut⸗ ſcher nicht weiter, ſondern zog bie Zügel an und zeigte ſei⸗ ‚ner Gebieterin den ermordeten Gervins auf der Erde lie⸗ gend. Da wirb eine gräßlihe und unnatürliche That ers zählt, deren Denkmal diefe Gaffe ift: fie Heißt die Gränels goffe wo Tullia rafend, geſcheucht von ihrer Schweſter unb Ihres Mannes Rache-Gottinnen, Über des Vaters Leib bas Geſpann getrieben, und ihren Antheil an dem Blut und Morde des Baters, an blutigem Wagen, fie feibft befleckt und beiprist, zu. ihren und ihres Mannes Hausgöitern gebracht habe, deren Zorn dem ſchlechten Anfange der Res gierung bald ein ähnliches Ende bereiten follte. Servius Tullius regierte vier und vierzig Jahre, alfo, daß ſelbſt eis nem guten und gemäßigten Throufolger ihm nachzucifern ſchwer werben mußte. Aber fein Ruhm wurde dadurch noch

05 Lirius Rdmiſche Seſchichte. Erſtes Wade

erhoͤht, daß er der letzte gerechte und gefebliche König war; Und ſelbſt diefe fo milde, fo gemäßigte Regierung wollte er, nach einigen Gchriftkelleen, weil fie die Herrſchaft Eines feg, niederienen, hätte nicht das Verbreihen im eignen Haufe Die Ausführung feines Borhabens, dad Waterland frei zu wachen, verhindert. 49. So trat deun Lucius Zarquinins die Herrſchaft am, dem feine TIhaten den Beinamen des Despoten [Guperbus] gaben, weil er, der Eidam, die Beerdigung feines Schwä⸗ hers wehrte, mit ber Aeußerung, auch Romulus fey ums begraben umgekommen ; weil er die erſten Genatoren, mel he ex für Anhänger des Gervind hielt, erwürgte: weil er endlich, eingedent, daß man fein Beifpiel, auf. fchlechtem Wege die Herrſchaft zu erwerben, gegen ihn nachahmen konnte, fich mit einer Leibwache umfchanzte- Denn er hatte kein anderes Recht auf den Thron, als die Gewalt, ba we ohne Geheiß des Volkes, ohne Beflätigung der Väter, auf demfeiben faß. Zudem, weil er auf die Liebe feiner Unter thanen nicht pertraute, mußte er duͤrch Schrecken feine Herr ſchaft ſchützen, und um diefen bei Mehreren zu verbreiten, zog er die Unterfuchung peinlicker Verbrechen ohne andere Behörden blos vor feinen Richterſtuhl, und Eonnte darum hiurichten, verbaunen, am Vermögen ftrafen nicht blos Ders dachtige oder Verhaßte, fonbern auch folde, bei welchen oe nichtd anderes erwarten Founte, ald Beute. Nachdem er fo beſonders die Sahl der Väter vermindert hatte, be ſchloß er, feine. neuen zu wählen, damit der Stand ſchou durch feine geringe Zahl um fo verädytlicer wäre, und über feine Entiernung von ber Staatsverwaltung weniger zärate:

Nach Roms Erb, 220:- Bor.Chr. Geb. 532 ff. 97

Denn ex war. der erfle König ı- welcher die von feinen. Vor⸗ gängern hergebrachte Sitte, in allem den Senat zu befra⸗ gen,. aufhob, durch Cabinetsbefehle den Staat regierte, Krieg, Frieden, Verträge, Bündniſſe allein, mit wen er . wollte, ohne Gutheißen des Volks und Senats, ſchloß und aufpob. Vorzüglich fuchte er die Latiner fic zu befreunden, um auch durch fremde Macht defto ſicherer unter feinen Un: terthanen zu feyn, und nicht nur Gaftfreundfayaft ſchloß er mit ihren Häupfern, fondern and Verfchwägerung. Dem Octavius Manilius von Tusculum, bei weitem dem Angefe- henſten unter allen Latinern, und, wenn wir der Gage glau⸗ den, einem Gprößlinge des Ulyſſes und der Göttin Eirce, diefem Manilius gab er feine Tochter zur Ehe, und gewann fih durch diefe Heirath die zahlreihen Verwandten und Sreunde befielben.

50.: Schon war das Anfehen des Tarquinius groß un⸗ ter den Häuptern der Latiner, als er ſie auf einen beſtimm⸗ ten Tag zu einer Zuſammenkunft im Haine der Ferentina lud; er habe mit ihnen über gemeinſame Angelegenheiten au ſprechen. Gie erſchienen in großer Zahl bei Tagesan- bruch. Nur Tarquinius beobachtete zwar den Tag, Fam aber er kurz vor Sonnenuntergang. Mancherlei war den langen Tag hindurch in der Verfammlung geäußert worden. Turnus Herbonins von Aricia hatte ſich ‚heftig über ben nicht erfchienenen Tarquinius ausgelaffen: „Kein Wunder, dag man ihm in Rom den Namen Despot gegeben (denn alfo neunte man ihn bereits,. zwar nur flüfternd, doch alle gemein): ob es etwas Stolzeres an als fo das ganze Bol

Livius. 18 Boͤchn. 7

gs Liblus Abmiſche Geſchichte. Erſtes Buch.

der Latiner zu verhoͤhnen? die Häupter deſſelben berufe er weit her aus ihrer Heimath, und er, der die Verſammlung angeſagt, erſcheine nicht; wahrlich, er ſtelle ihre Geduld auf die Probe, um, ließen ſie das Joch ſich auferlegen, ſie als Un⸗ terwurfige zu drücken. Denn wer ſehe nicht, daß er nach der Herrſchaft über die Latiner ſtrebe? Wenn ſeine eigenen Mitbürger wohl gethan, ihm dieſe zu vertrauen, ja, wenn fie ihm nur anvertrant, und nicht durch Frevelmord von ihm geraubt fen, fo mögen and) die Latiner ihm biefelbe auver- trauen, wiewohl auch dann nicht einmal, als einem Frem⸗ den. Wenn aber die Geinigen feiner Kberdrüffig feyen, da fie, einer nad) dem andern, Bingerichtet werden, in Ver⸗ bannung gehen, ihre Güter verlieren, welche beffere Hoff nung den Latinern blühe? wollen fie ihm folgen, fo gebe _ jeder. jest nady Haufe, und bekümmere fid, um den Verſamm⸗ füngötag eben fo wenig, als derjenige, welcher ihn ange fagt hätte, um denfelben fid, dekümmere.“ Solches ud An⸗ deres in gleichen Weifte fprach gerade der unrußige, und zu jeder Unthat fertige Menſch, der durch ſolche KUnſte in feiser Heimath Macht errungen halte: da trat Taramintes herein. Dieb machte der Rede ein Ende. Alle wandten filh n den Tarquinius, um ihn zu degrüßen, und er, ale Ks Ale wurde, aufgeforbert von den Nächſten, feine fpdte An- But, ft gu entihntigen, fagte: „Er habe ſchlichten mitifen zwi⸗ er und Sohn; unter ber Bemuhung, fie an ver,

nen, habe er ſich verfpätet, und weil darüber der Tag vergtrichen ſey, Jo wolle er morgen verhandein, was er ſſich rorgenoniinen hätte.’ VNuch dieß ſoU ihm Tuknns nicht hne

Mac Roms Erb. 20. Mor @pr.Web.äänf. 9.

:Mumerkung haben hingehen Tafen; er babe geſagt: „es ſey nichts kürzer, als zwiſchen Vater und Sohr erbennen; das rafſe ſich mit wenigen Worten abmachen: gehorche der Sohn "dem Water wicht, fo treffe ihn Verderben.“

51. Mit diefen Bitterkeiten gegen ben Romiſchan Kö⸗ nig verließ ber Ariciner die Berſammlung. Tarquining, der, über weit empfindlicher, als er ſich merken ließ, ſaun for glei auf des Turnus Tod: um denfelben Gchreden, mit weldyem er ben Geiſt feiner Mitbürger zu Hauſe michenges drückt Hatte auch ben Latinern einzujagen: und weil er wicht gevabezu als Bebieter ihn Hinrichten Iaffen konnte, fo erbrüdte .er den Unſchuldigen durch ein angebichtetes Ver drechen. Mit Hülfe einiger Ariciner ven der Gegenpartei des Turnns beach er einen Sclaven deſſelben, zu geſtatten, daß man eine große Menge Schwerter heimlich in feine Her⸗ berge braͤchte. Als Dieb in Einer Nacht gefchehen war, ber rief Tarquiuius Burg vor Tag die Haupter der Latiser zu fi, und ſagte, wie von etwas ganz Unermartetem betrafen : : „fein langes Ausbleiben geftern, wie von den waltenden Bät- teen veraulaßt, habe ihn und fie gerettet. Er höre, daß Kurnns ihm und den Häupteru ber Vöollerſchaften mach bem Beben ſtehe, um allein über die Latiner zu berrſchen. Er würde geftern in der Verfemmieug angegriffen haben ; die Wache ſey anfgeichoben wurden, weil ber Urheberder Sus fammenkunft, dem es vorzüglich gelte, gefehlt habe. Deher jene Schmaͤhnngen auf den Abmeſenden, weil fein Ausblei⸗ ben bie Hoffnung vereitelt hätte. Geuif, wenn man: ihm anders Waprheit berichte, werde Turuns um frühen Bor:

N) 7 -

ı00 Livlus Rdmiſche Geſchichte. Erſtes Auch.

gen, ſobald ſie ſich verſammelt hatten, verſehen und. bewaff net mit einem Haufen Verſchworner kommen. Es ſolle eine große Menge Schwerter bei demfelben sufammengebradht wor: den fenn; ob dieß Erdichtung fen, oder nicht, Fönne man ſogleich wiſſen. Er bitte fie, auf der Stelle mit ihm zu Turnus zu gehen.’ Verdacht erregte des „Turnus wilder Sinn, feine geftrige Rede und dus ange Ausbleiben des Tarquinius, indem es möglich fchien, daß um beßwillen bie Mordthat aufgefchoben worden. Sie giengen hin, zwar ge- neigt ‚zu glauben, doch auch, wenn bie Schwerter nicht ges funden würden, alles für ungegründet zu halten entſchlsſſen. Nach ihrer Ankunft wurde. Zurnus aufgewedt und von Wa⸗ chen umgeben, die Sclaven, welche aus Liebe zu ihrem Herrn fid) wehren wollten, wurben ergriffen, und als aus allen Ecken der Herberge verſteckte Schwerter hervorgezogen wurden, da freilic) fchien die Sache offenbar. Turnus ward in Ketten gelegt, und ſogleich mit großem Lärm in bie Ber: ſammlung der Latiner bernfen.. Hier entbrannte, als bie Schwerter vorgezeigt. wurden, bie Erbifterung fo fehr, daß ihm Beine Vertheidigung vergönut, fondern er, durch eine ganz neue Todesart, in die Duelle des Ferentiniſchen Wafs ferd geworfen mit einem Flechtkorbe zugedeckt, mit Steinen Aberſchüttet und. fo erträntt wurde.

52. Hierauf berief Zaraninius die ‚Latiner. wieber. zur Berſammlung, lobte fie, daß ſie ben auf Umſturz ber beſte⸗ henden ‚Ordnung finuenden ZTuruns..für feinen. offenbaren Hochverrath beſtraft hätten, und fuhr alfo fork: „Er Eönnte zwar anf. eis altes Recht ſich ſtügen, indem alle Latiner,

Nach Roms Erb: 220. Bor Ehr. Geb.53aff. 101

als Abtömmlinge von Alba im jenem Vertrage begriffen ſeyen, wach welchem durch: Tullus die Geſammtheit der Als bauer wit ihren Planzftädten unter Römifche Oberherriiche feit gekommen fen. Aber um des allgemeinen Vortheils willen frage er-Tieber darauf an, daß jener Vertrag erneuert werbe, und die Latiner das Glück des Römiſchen Volkes als Mitgenofien theilen, ſtatt Zerftörung ihrer Städfe und Berheerung: ihrer Marken immer zu befürchten oder zu er⸗ dulden, wie fie erſt unter Ancus und dann unter feinem Bater es erlitten hätten.‘ Ohne Schwierigteit wurden Pie Latinner ‚überredet, obgleich durch ſolchen Vertrag die Mör miſche Macht die Oberhand gewann. ber einmal fahen fie die Häupter des Latinernolkes mit dem Könige verbunden und einverftanden, und Dann war des Turnus Schickſal für jeden, der etwa widerſtrebt hätte, ein zu frifches warnenbes Beiſpiel eigener Gefahr. So wurde denn der Vertrag er⸗ neuert, und den wehrhaften Latinern angekündigt, dem Ver⸗ trage gemäß an einem beflimmten Tage bei dem Haine der Ferentina mit ihren Waffen ſämmtlich zu erfcdyeinen. Als fie, dem Befehle des Romiſchen Königes zufolge, aus allen Bölterfchaften eintrafen, bildete er, damit fie unter keinem eigenen Führer, keinem abgefonderten Befehl, und keinem eigeneu Feldzeichen flünden, aus Latinern und Römern zur fammengefegte Rotten (Manipeln], fo daß er and je zweien Eiue, und je zwei aus Einer machte. Den alfo verdoppel⸗ den Rotten feste er die Hauptleute (Centurionen] vor..

85 War er aber ein ungerehter König im Frieden, fo war er⸗ darum Bein ſchlechter Anführer iur Kriege, , 3a

102 Liölns Römifche Geſchichte. Erſtes We,

ee wäre in biefer Sunft den früheren Königen glei ge⸗ kommen, hätte nicht feine fonflige Ansartung and dieſen Borzug verbuntelt. Er war ed, ber jehen mehr ald zwei hundert Jahre nady feiner Zeit erſt geenbigten Krieg mit dem VBolskern anfleng, und ihnen Sueſſa Pometia mit‘ Sturm nahm. As er bier aus der verkanften Dente vierzig Ta⸗ lente Silbers und Goldes erlödte, fo faßte er ben Ent⸗ ſchiuß zn einem Tempel Jupiters, von folcher Größe, wie fie würdig wäre des Königs der Götter nnd Menufchen, wür⸗ Dig des Römiſchen Reiches, würdig auch der Herrlichkeit des Ortes ſelbſt. Das erbeutete Geld legte er. zu dieſem Zempelbau zurüd. Gleich daranf gerieth er in einen Krieg, welcher einen wider feine Erwartung langfamen Baug nah, nud worin er die benachbarte Stadt Gabii, nach vergebli⸗ chem Gturm und nachdem er, von den Manern zurückge⸗ fdylagen, auch die Hoffunng, fie durch Belagerung zu ger winnen, verloren hatte, endlich; keines wegs anf Roͤmerweiſe, wit Lift und Trug angriff. Während er nämlich, als hätte er den Krieg aufgegeben, ſich mit Grunblegung bed Ten pels und andern Anlagen in der, Gtabt befchäftigt ſtellte, fiop der jüngſte feiner drei Söhne, Gertus, anf Verabre⸗ bung, hinüber nah Gabii, Elagend über die unertraͤgliche Härte feines Vaters gegen ihn: „Nun babe diefer feinen Despotismus von Fremden gegen die Geinigen gewandt und felbft der Kinder habe er zu niele, wolle, wie zuvor das Rathhaus, fo auch die eigene Wohnung übe machen um keinen Gprößling, keinen Thronerben übrig zu laſſen. Er für feinen Theil, Den Pfeilen und Schwertern des Bas

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Mach Roms Erb. 220. Vor Chr. Geb. 532 ff. 103

texs entronuen, habe nirgends Sicherheit gehofft, als bei den Beinden des Lucius Taxquinius. Denn fie möchten fidh nicht täufchen, für die Mänuer diefer Stadt daure der nur ſcheinbar aufgegebene Krieg fort; und im günfligen Augen» Hirte werde fie Tarquinius unvermuthet anfallen. Gebe es dei ihnen Beine Städte für Schuäflehende, fo werde er ganz Latium durdirren , Dann zu den Volskern, zu deu Aequern, zu ben Hernikern gehen, bis er zu Männern komme, weldye Söhne zu ſchützen wüßten gegen ihrer Väter graufame und . feevelpafte Mörberhand. Bielleicdyt finde er auch irgendion Muth genug zu Krieg und Fehde gegen den übermüthigften der Könige und das wildeſte der Völker.“ Da er, falls "won ihr micht aufpalte, in feiner grimmigen Erbitte: zung fofort weiter zu gehen entichloffen fehlen, fo nahmen ihn die Gabiner freundlich auf. „Er möge fid) nicht wundern, daß Tarquinius, wie er bisher Unterthanen, mie er Bun⸗ Desgenofien behandelt, fo am Eude auch feine Kinder behandle. Gegen ſich felbit werde derſelbe zuletzt noch feine Wuth keh⸗ ren, wenn fonft nichts mehr übrig fey. Ihnen aber ‚fey feine Autunft erwünfht, und mit feinem Beiftande hoffen fle in

Kurzem deu Krieg, von den Thoren Gabii’s hinweg unter die

Mauern Roms zu tragen.‘

54. Bon der Zeit au wurde er zu den öffentfichen Bes rathungen gezogen; hier trat er in andern Sachen immer "den alten Gabinern bei, welche davon beſſer unterrichtet fegen, rieth aber für feinen Theil einmal über das andere zum Kriege, ſchrieb ſich in diefem Punkte befonbere Eins ſicht zu, weil er beider Voͤlker Kräfte kenne, und wifle,

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104 Livius Römifche Geſchichte. Erſtes Buch.

daß ja wohl verhaßt den unterihanen der königliche Despo⸗ tismus fen, den felbft feine Kinder nicht mehr hätten ertra⸗ gen können. Indem er fo allmählig die Häupter von Ga- bit zur Erneurung des Kriegs anfenerte, mit den rüftigften jungen Männern felbft auf Beute und Gtreiferefen auszog, und durch Worte und Thaten, die ‚insgefammt auf Täu⸗ ſchung berechnet waren, immer mehr eiteln Glauben fand, wurde er endlih zum Feldhauptmann erwählt. Als jebt, ohne daß die Uebrigen die wahre Abſicht ahneten, Eleine Treffen zwifhen Rom und Gabii vorfielen, in welchen bie Gabiner meift den Vortheil hatten, da wetteiferten Hohe und Niedere im Glauben, daß Sextus Tarquinius ihnen von den Göttern zum Heerführer geſchenkt worden ſey. Vol⸗ lends bei den Kriegern wurde er dadurch, daß er Gefahr und Anſtrengung gleich mit ihnen theilte, die Beute freige⸗ big ihnen überließ, fo beliebt, daß Tärquinius, der Vater, nicht mädtiger in Rom war, als in Gabii der Gohn. Sept, als er ſich zu jedem Wagniſſe ſtark genng fühlte, fchickte er einen feiner Leute nad) Rom, feinen Vater zu fragen, was er thun folle, da die Götter ihm ausſchließlich alle Macht in Gabii verliehen hätten. Diefer Bote erhielt, wahrſcheinlich, weil ihm Tarquinius nicht ganz trauete, kei⸗ se mündliche Antwort. Der König giug, wie im Nachden- ten verfunten, in den Garten des Hauſes, begleitet von dem Boten feines Sohnes. Hier fol er, aufs und abges hend, ohne ein Wort zu reden, die höchſten Mohnköpfe mit feinem Stabe abgefchlagen haben. Der Bote, des Fragens und Harrens auf Antwort endlich müde, kehrte, wie unver:

Rach Roms Erb 230. Wer Chr. Geb. 832 ff. 105

richteter Dinge, nach Gabii zurück, berichtete, was er ſelbſt geſagt und was er geſehen habe; ſey's aus Zorn, ſey's aus Haß oder aus Stolz, der in feinem ganzen Weſen Nliege: genug, der König habe keinen Laut von ſich geges ben. Sextus, welchem Elar wurde, was fein Vater wünfhe, und was er ihm durch feine ſtummen Andeutun⸗ gen vorfchreibe, räumte die vornehmften Bürger ans dem Wege, indem er bie einen bei dem Volk anfchwärzte; ges ‚gen Andre den Haß benützte, der bereits auf ihnen laſtete. Biele wurden öffentlich, manche auch, deren Anklage nicht ſcheinbar genug zu werden ſchien, heimlich getödtet. Eini⸗ gen vergönnte man die felbft gewählte Flucht, andere wur: "den verkannt, die Güter ber Abwefenden aber fo gut, als der Hingerichteten, wurden vertheilt. So wurde durch den Reiz der Spenden, der Beute umd des eigenen Vortheils, das Gefühl für das Unglück des gemeinen Weſens erftickt, bis Gabii, verwaist an Rath und der Hülfe beraubt, ohne Schwertftreich dem Römifchen König in bie Hände überlie⸗ fert ward.

55. Rad) der Einnahme von Gabii machte Tarquinius Frieden mit dem Volke der Aequer, und erneuerte mit den Tuskern den Vertrag. Darauf richtete er ſeine Aufmerk⸗ amkeit auf die Geſchäfte in der Stadt. Deren erſtes war, den Jupiterstempel auf dem Tarpejifchen Berg, ein Denk⸗ mal feiner Regierung und-feines Namens, zu hinterlaffen > dieſen (follte man einft fagen) hätten zwei Tarquinier, nige beide, der Vater gelobt, der Sohn erbaut. - Und ba wit, fei von jedem andern Bötterdienfte, ber ganze. Plas

106 Livius Roͤmiſche Geschichte. Erſtes Buch

‚dem Jupiter und feinem Tempel, ber. darauf erbaut. würde, angehörte, beſchloß er, mehrere geweihte Stätten und Ka⸗ pellen, unter Befragung der Vögel, auszuweihen, welde bier von König. Tatius zuerſt im entfcheidenden Nugenblicke bed Kampfes gegen Romulus gelobt, nachher geheiligt und unter Bogelzeichen eingeweiht worden waren. Gleich bei ‚dem Beginne dieſes Baus follen die Götter einen Wink gegeben haben, wmelder die Riefengröße diefes Reiches am deusete: die Vögel nämlich, welche bie Ausweihung aller Kapellen geftatteten, ſagten einzig bei dem Heiligthume bes Zerminns [Grenggotfes] nicht zu. Diefes bebeutungsvolle Dogelzeichen wurbe fo erklärt: daß der Grenzgott feinen. Wohnſitz nicht habe wegrücken und er allein unter den Göt⸗ tern fih aus feinem geweihten Bezirke nicht habe heraus: rufen laffen,. dieß verheiße feften und unerjchütterlichen Be⸗ ſtand des Ganzen. Diefew Dargeichen ewiger Dauer folgte ein, zweites, die Größe des Reiches weiſſagendes. Ein " Menfcheahaups mit unverfehrtem Antlise fol zum Vox fcheine gekommen feyn, als man ben Grund zum Tempel gend. Dieſe Erfcheinung kündigte unummwunden an, bieß werde bes Reiches Burg und das Haupt ber Erbe ſeynz and alfe wmeiffagten die Seher, ſowohl die einheimifchen, ala die ans Etrurien zu Mathe berufenen. Neu begeiftert war ber König, Peine Koften zu fchenen. Darum reichte bie Beute von Pometia, mis weldyer das Werk bis zum Gipfel ansgeführt werben follte, Saum zur Grundlage hin. Um fa mehr. glaube ich dem, ohnehin älteren, Babins, daß fe nur vierzig Talente betrug, als dem Pig, nad) weldem vierzigs

Mach Roms Erb. 220. Year Chr. Sch. 532 fi. 107.

tanſend Pfund Silbers zu dieſen bricht waren zurückgelegſ worden, eine Geldſumme, weiche aus ber Beute einer Stadt damals nicht zu erwarten war, und welche Die Koflen zur. Grundlage jedes Wrachtgebändet , ſelbſt der jebigen, würde ũberſtiegen haben.

56. Eifrig bebacht anf die Vollendung. des Tempel hau's, wozu er MWerkleute aus allen Gegenden Etruriens ‚Hatte kommen laſſen, gebrauchte er hiezu nicht nur Die öf⸗ fensichen Gelder, fondern auch Handdienfte von den Bürs gern. Obgleich diefe ebenfalls nicht kleine Arbeit noch zu dem Felddienſte kam, fo beſchwerten fi die Bürger dennoch weniger darüber, daß fie Göttertemypel mit ihren Händen bauten, Uber nachher wurden fie auch zu andern fchein: bar geringeren, aber noch weit auftvengenderen Arbeiten gezogen, Schaubänte auf ber Nenubahn zu errichten, und Die große Schleuſe, in weiche alter Unxath aus der Stadt fellte abgeleitet werben, unter. der Erde auzulegen, zwei Werke, weichen kaum die Pracht ber ueueflen Zeit etwas Gleiches an die Geite ſtellen kannte. Nachdem er ben Bür⸗ gern wit folchen Arbeiten vollauf au thun gegeben hatte, fchickte er, überzeugt, dab die Menge, wenn fie wicht ber. tchäftigt werde, der Stadt zur Laſt falle, und um durch nutgefandte Pflanger die Grenzen feines Reiches weiter hin: amd zu rücken, Pflanzer nah Signia und Circeji, welche dom Lande mad vom Meere her die Hauptſtadt decken ſoll⸗ sen. Unter dieſen Beſchäftigungen ward ihm ein ſchrecken⸗ des Zeichen. Sitte ans eines hoͤlrnen Gäule herausſchlü⸗ wen Gchlange machte, des Alles vos Schreden in den

v⸗

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108 Livlus Römiifche Gefchichte. Erſtes Weich.

Föniglichen Palaſt floh, febfe jedoch den König ſelbſt werk-

ger in augenblichtiche Angſt, als fle ihn mit bangen Beforge niffen erfüllte. Bei Vorzeichen, welche das gemeine Weſen betrafen, wurden nur Etruskiſche Seher befragt, aber er⸗ ſchreckt durch dieſes Geſichte, das wohl feinem Hanfe gelte, beſchloß er, nach Delphi zum berühmteften Orakel in ber

Welt zu (dien. Und weil er keinem andern. den- Götter: fpruch anzuvertranen wagte, fo ſchickte er zwei feiner Söh⸗ ne durch Damals unbekannte Lande und noch unbekanntere Meere nad) Griechenland. Titus und Aruns reisten Bin. Sum Begleiter murbe ihnen mitgegeben Lucius Innius Bru⸗ tud, ein Sohn der Scwefter des Könige, Tarauinia, ein junger Maun von ganz anderem Beifte, als mit deſſen Schein er fid) umgeben hatte. Als er nämlid hörte, daß die er ften Bürger, unter ihnen audy fein Bruder, von dem Ohei⸗ me getöbtet worden, fo befchloß er, weder durch feinen Ver⸗ ftand die Kurt, noch dur fein Vermögen die Habſucht des Königes zu reizen, und wo das Recht nicht ſchütze, In der Beratung Sicherheit zn finden. Darum machte ve abſichtlich ben Bloͤdſinnigen, und ließ, indem er ſich und feine Habe dem Könige Preis gab, ſelbſt den. Beinamen Brutus (der Dumme) fi) gefallen, damit, unter dem Schir⸗ me dieſes Uebernamens geborgen, der hohe Geiſt, welcher das Römiſche Bote befreien wollte, feine Zeit abwarten könnte. Diefer wurde‘ jest: von den Tarquiniern nad) Del⸗ phi mehr zur Kurzweil ald zur Begleitung mitgenomnsen, und foll einen goldenen Stab in einem. zu biefem Ende aus⸗ gehöhlten Kornelſtab eingefchloffen, dem Apollo zum Geſchenke

RG Kuams Erb. 220, Vor Chr. Geb. | 532 ff.

aebracht haben, ein. verfledtes Giunbild feines Geiſtes. I fie apgefommen waren, und die Aufträge ihres Vaters auf „gerichtet hatten, wandelte die Jünglinge bie Luſt an, au er⸗ fragen, wer non ihnen wohl in Nom würde König werden ? Da. fol tief aus der Höhle: herauf die. Antwort gekommen fegn.. „Die höchſte Gewalt in Rom wird derjenige. haben, welcher von euch, ihr Tünglinge, zuerft die Mutter küſſen wird.’ Die Targuinier befahlen, damit Sertus, welcher in Rom geblieben war, nichts von dem Sprache erführe und von der Herrſchaft ausgefchloffen wäre, das tieffle Stil: fchweigen über die Sache, untereinander aber überließen fe es dem Loofe, welcher von ihnen beiden bei ihrer Rückkunft nad). Rom der Mutter den erften Kuß geben follte. Brutus, überzeugt, der pythiſche Sprucd habe einen andern Sinn, küßte, als wäre er ausgegleitet und hingefallen, die Erde, ı als die gemeinfame Mutter aller Sterblichen. Gie kamen ann aurüd nah Rom, wo man fich mit aller Macht zum „Kriese gegen die Rutuler rüftete.. Be: Ardea war die Hauptſtadt der Rutuler, eines für e Gegend und. für. diefe Zeit fehr reihen Volkes, und eben dieß war der Grund zum Kriege; weil der ‚Römifche König, theils erſchöpft durch die Pracht öffentlicher Bauten, Ach ſelbſt zu bereichern, theild durd, Beute Die Unterthanen zu. befchwichtigen mänfchte, ‚welche feiner Herrſchaft arm. waren, nicht nur wegen feines Despotismus überhaupt, ſon⸗ bern auch, weil es fie .empörte, fo lange vom Könige als Werkleute und zu Sclavenarbeit gebraucht zu ſeyn. Es wurde vexrſucht, ob Ardea im. erſten Sturme denommen

110 Livius Mbmifche-Befhtchte. Erſtes Buch: werben Könnte; als dieſes nicht gelang, Ang man die Seine

durch Einfchfieiung und durch Werke zu bedrängen an. Im dortigen Standlager hatte 'man, ‚wie gewöhnlich, in eimem.-

mehr langwierigen als hisigen Kriege, viele Freibeit, abs und juzugehen, dod mehr die Führer, als der gemeine Mann. Nun vertrieben fidy die Königlichen Fünglinge mandı- mal die lange Weile mit Gefagen und Nachtfchwärmereien. Einſt, ats fie dei Sertus Tarquinius, bei weldyem and) der Collatiner Tarquinius, Sohn des Egerius, fpeiste, zechten, kam die Rede auf ihre Fraren. Jeder lobte die Seinige ungemein. Als der Streit hihiger wurde, ſprach der Colla⸗ tiner: „Es bedürfe kemer Worte. In wenigen Stunden könne man wiſſen, wie viel vorzüglicher als die andern ſeine Lucretia ſey. Wenn Jugendkraft in uns iſt, warum leihen wir nicht zu Pferde, und fehen ſelbſt an Ort und ‚Ste, was an unfern Frauen ift? "Das fen für jeden das bewäe- tefte, was hei der mnerwarteten Ankunft bed Mannes den Augen ſich darbeut.“ Ge waren warm vom Weine. Wohl⸗ auf denn! riefen alle. Mit verhängtem Zügel eilten fie da⸗ von nah Nom. Rachdem fie dort mit dem erſten Eindru⸗ „che der Dunkelheit angekommen waren; ritten fie weiter nach Eoltatia, wo fie Lucretia durchaus nicht, wie die 8b niglichen Schwiegertöchter, welche fie bei Mahl und Pracht

mit ihren Freundinnen fich die Beit Hatten vertreiben gele⸗

Gen:, ſondern noch in fpäter Nadyt mit Wolle beſchäſeint und im Kreife ihrer bei Licht arbeitenden Maäßde in’ es Yaufes Mitte ſttzend fanden. Im Wettſtveite Aber Nie

rauen fiel der Preis an Lueretin. Der ankommende Dalte

BE En DEE 2

Nach Roms Erb. 220. Vor Ehr. Grb. 582 ff. 111

nud die Tarquinier wurden freundlich aufgenommen. Der triumphirende Gemahl Ind die Königsſöhne höftich ein. Hier erwachte in Sextus Tarquinius die ſchnöde Luſt, Lu⸗ cretia gewaltfam zu entehren; ſowohl ihre Schönheit, als ihre anerkannte Keuſchheit reizte ihn. Für dießmal aber kehrten ſie von ihrem nächtlichen Abentheuer zurück in's

er. | | 58.‘ Nach Verfluß weniger Tage kam Gertus Tarqui⸗ nius ohne Wiffen des Eollatiners mit Einem Begleiter nad) Eoflatia, wo man ihn, feine Abſicht nicht ahnend, freuub⸗ ih aufnahm, "und nach dem Mahl in die Gaſtkammer führte. Doch er, glühend von Kiebe, ging, ſobald er alles ringsum vöflig Tücher, und jedermann in tiefem Schlafe glaubte, mit gezücktem Schwerte zur fchlafenden Lucretia, trücte die linke Hand dem Weibe auf die Bruſt und ſprach: „GStille, ich bin Sextus Tarquinius; das Schwert ift in meiner / Hand, du biſt des Todes, wenn du einen Laut ‚von bir gibſt.“ Us die Frau, aus dem Schlafe aufge ſchrerkt, nirgends Hüffe, den Tod vor Ungen ſah, geſtand Zaranintus Ihr feine Liebe, bat, flehete und brohete dazwi⸗ Then, und griff das weibliche Herz von allen Seiten an. Als er fie ſtandhaft widerfireben, und niit einmat durch Todesfurcht wanken fah, verband er mit der Burkht Die Schmach; neben die Todte, ſprach er, wolle er einen er⸗ wiürgten Schaden nackend legen, damit man fage, ſie ſey m fihmnsigem Ehebruche getödtet worben. Nüchdem durch dieſes Schteckniß die ſcheinbar flegreitye Brunſt ber Lie ſtaudhait wiher irchende Keuſchheit zeſiſegt hatte, ud Tar⸗

212 Livius Romiſche Geſchichte. Erſtes Buch.

quinius, ſtolz auf die erſtürmte weibliche Ehre, abgereigt war, ſchickte Lucretia, voll Grames über ſo großes Unglück, einen Boten zu ihrem Vater uach Rom, und von da nad Ardea zu ihrem Manne: fie möchten jeder mit Einem ver: trauten Freunde kommen; es fey nöthig. und fie follen ei⸗ Ien; etwas Schredliches fey vorgefallen. Spurins Lucreting Fam mit Publius Valerius, des Voleſus Sohn, der Colla⸗ tiner mit Lucius Junius Brutus, mit weichem er zufällig nach Nom zurüdtehrte, als der Bote feiner Frau ihm bes gegnete. Sie fanden Lucretia tiefbetrübt in ihrem Schlaf: - zimmer fibend. Bei der Ankunft ihrer Lieben brach fie in Thränen aus, und fagte, auf des Mannes Frage, ob alles wohl Siehe? ‚keineswegs: denn wie könnte es wohl flehen mit einem Weibe, wenn die Keufchheit verloren iſt. Die

Spuren eines fremden Mannes find in deinem Bette, Euf- latinus. Doch nur ber Körper iſt entweiht; das Herz ift rein; mein Tob wird Zeuge feyn. ‚Aber gebt mir Hand und ort, baf es dem Ehebrecher nicht ungeſtraft hingehen ſoſl. Sertus Tarquinius iſt es, welcher, ſtatt eines Gaſtfreundes, ein Feind, in der letzten Nacht mit der Waffe der Gewalt, eine mir. und, wenn ihr Männer ſeyd, ihm verderbliche Freude bier geraubt hat.“ Alle der Reihe nad) geben ihr das Wort, tröften die fchwer Bekümmerfe,. indem. fle alle Schub von der Gezwungenen ab. auf den Ihäter wäl« zen; die Seele ſündige, nicht der Leib; wo Fein Vorſatz ges weſen, ſey auch Feine Schuld. „Ihr, ſprach fle, möget fe ben., was ihm gebührt; ich fpreche mich zwar non ber. Sün- de frei,, aber non. der Strafe löſe ich mich nicht, keine Up-

RU Roins Erbe 220. Bor Chr. Geb. 832 ff. 115 kenſche ſoll in Zukunft leben mit Berufung auf Lucretia. Hiermit ſtieß ſie den Dolch, welchen ſie unter dem Kleide verborgen hatte, ſich ins Herz, flärzte auf das Eiſen in der Bunde hin, und fiel ſterbend zur Erde. Laut aufſchreien

Mann -und Vater. 59. Brutus aber, während biefe ihrem Schmerze fidh überließen, zog den Dolch aus Lucretia's Wunde, hielt den bluttriefenden in die Höhe und ſprach: „Bei dieſem vodr dem königlichen Frevel keuſcheſten Blute ſchwoͤre ich, umb rufe euch, ihr Götter, zu Zeugen auf, daß ich Lucius Tar⸗ quinius, den Despoten, ſammt feinem verruchten Weibe und all feiner Kinderbrut mit Schwert, Feuer und mit welcher⸗ rei Gewalt hinfort ich kann, verfolgen, und weder fie noch irgend “jemand in Rom ald König dulden werde.“ Dars auf gab er dem Eokatiner ven Dolch, dann dem Lucretius: und Valerius, welche ſtannten ob dem Wunder, woher der neue Geiſt in Bratud Bruſt. Wie er ihnen vorgefprocden, fhwören fie, und von‘ der Trauer ganz zur Rache überge⸗ hend, folgen fie, als ihrem Führer, dem Brutus, weicher fie. aufrief, gleich auf ber Stelle das Königthum zu erſtürmen. Sie tragen Lucretia’s Leiche aus dem Hanfe, bringen die⸗ ſelbe anf das Forum; ziehen, wie natürlich, durch, Verwun⸗ berang über die unerhörte That und durch Entrüflung bie Menge herbei, jeder in feinem Theile Blagt über den könig⸗ lichen Frevel und Gewaltthat. Cirdrud macht hier der Va⸗ ter. in fo tiefem Grame, dort Brutus, welcher Thränen und unnuͤße Klage wehrt, und auffordert, wie ed Männern, wie ed Römern zieme, bie Baffen zu ergreifen gegen Die, welche Livius. 18 Siam. 8

216 Divine Minen -Onichihse. Geheh: Murh-

BuisNimet: semans: itsen:; Die hebemisign.. jungen Man⸗ wen Rrliken Gr: freim illia mit ihnen Wagen ; an fin ſchließau Ha enden: Wahrbaiten ſich an. Run ward eine hinlaͤngliche Diſemug an: deu Theyer Eollaticua zurückgelaſſen und Mer chen aufgeſtellt, damit Niemand den Fürſten die Bewegung meide. Die übeigen Vewaftueten zogen, von Brutus ge⸗ fürn: nach Dei: Ala fa dahin kamen, erregte der bemaff nete male, wo er daxchzog. Schweden und Auflauf, Wie⸗ dacum, da man die vornehmſten Bürger an- feiner Spitze ſeh, dachte man, was es auch ſern möge, fo ſey 28 nichts

Grund. Und nicht geringere Bewegung machte die ab⸗ ſchenliche That in Row, als fie in Collatia gemacht hatte fe liefen aus allen Theile der Stadt die Leute nach dem Zamım. Gobeid fie hier augekommen waren, vier Der Hepoid das Volk zum Oberen der Leibwache (Tribunys Gelerum), weiche Stelle damals gerade Brutus bekleidete. De bielt er eine Rede, nicht jenes Sinnes und Geiſtes, den er bis die⸗ fen Tag gzeheuchelt hatte, über die Semeltthat und Geilheit des Sertus Tarauinins, über Lucretia's abſcheuliche Euteh⸗ ung: upd jammernéswerthe Entleibung, über die Kinderlo⸗ ſigkeit des Trjeipitinus, für weichen noch: empdnenber un jammerraller als feiner Tochter Tod, die Urſache ihres W⸗ ned few; ſprach dann weiter: von den Deſpotismus des Kö— ige ſelbſt, und von dem Elend und den Mähſeligkeiten bad: in aus zubringende Öräben nud Schiessen verfentten Volkes. Mmiſche Maͤnner, Sieger über alle ringzsumwohnende Viiter ſeyen aus, Kriegern zun Hendakbeitern, zu GSteinbre⸗ chern gemacht morden.. Er eninnewte: an. es Sexpius Aallius

Ne inni@rb. ann: Mon Chr. Mehr Saul; ↄiq

(mäblihherfewsehung ; wie da.bie Tachter mis. dem. vorundae tem Wagen über das Vaters, Korvor himgefahrenz und rief die · Raͤcher der Einem auf, bie. Sotter. Durch ſolche mul

andere wahl ner abſchenlichers Unskellungen, weiche Die Eegenwart einem empoͤrten Semäthe- darbeut, weiche jedach der Geſchichtſchreiber nicht fo; leicht wiedergeben Bann, boe weg we die erbitzte Menge, den König; zu entſehen, und dam Lucius Zaraniniusd mit Weib. und, Kindern für Merkaunte zu. erklaͤren. Er ſelbſt wählte: und waffnete die huge, weiche: freiwillig fick zum Dienſte erboten,, umd eilte, um Das Heer gegen den König aufzumwiegeln, fort nach Ardec in's Lager. Den Befehl in der Hanptitadt überließ er dem Zucretins, welcher ſchon vorher vom Könige zum Stadtobri⸗ ſten beftellt war. Während dieſes Getümmels entflob Tul- lia aus ihrer Wohnung, verfolgt, wo fie durchkam, von ben Flüchen der die Rachegeiſter der Eltern anfrufenden Männer und MBeiber.

60. Als die Nachricht von diefen Borfällen in’s Lager gelangte, und der König, beflürzt durch das unerwartete Ereigniß, nah Rom eilte, die Bewegung niederzufchlagen, ‚nahm Brutus, denn er Batte feine Unnäherung gemerkt, um ihm nicht zu begeguen, einen Geitenweg, und ungefähr zu gleicher Zeit kamen in entgegengefepten Richtungen Brutas vor Ardea, Taraninins vor Rom an. Dem Tarquinius wur⸗ den die Thore verfchlöffen, und die Verbannung angekündigt ; den Befreier der Hauotſtadt empfing frendig das Lager, und die Söhne des Königs wurden daraus vertrieben. Zwei folg- ten dem Water nad. gingen nad @äre zu deu Etruskern in

116 Livius Römifche Geſchichte. Erſtes Buch ıc.

Die Verbannung. Sextus Tarquinlius, welcher ſich nach Sa⸗ bi, «ts in fein Reich degab, wurde von den Rächern alten Huſſes, welchen er durch Mord und Raub ſich ſelbſt zugese>

den hatte, getodtet. Lucins Tarquinius, der Deſpot, herrſchte

fünf und zwanzig Jahre. Könige warer in Rom von Er⸗ banung der Stadt bis zur Befreiung zweihundert vier umd vierzig Fahre lang. Zwei Eonfuln wurden jet in einer nad) Borfchrift der Bücher des Servius Tullius gehaltenen Gens tärien » Berfammlung, vom Dbriften der Stadt erwähtt Sarins Junins Brutus und Lucius Taraninius, der Col: Fatiner.

Titus Livius Kömifhe Geſchichte,

überfet vn

8. 5. Klaiber,

Aſſeſſor Hei dem evangelifhen Eonfiftorium und Profeffor der alten Literatur am obern Gymnafium zu Stuttgart.

weites Bändchen.

r - Dritte Auflage,

TEE Stuttgart,

Verlag der J. B. Metz ler'ſchen Buchhandlung.

Für Oeſtreich in Commiſſion von Mörſchner und Jaſper in Wien. ı 8 3 70

Inhalt des zweiten Buchs,

Brutus Laßt das Volt ſchwoͤren, feinen König fürber im Rom zu dulden; ndthige feinen Amtsgenoſſen Tarauinins bem Eotartiner, ben feine Verwandtſchaft mir den Tarquiniern vers daͤchtig machte, das Eonfulat niederzulegen und die Stadt zu räumen; laͤßt bie Güter der königlichen Familie pländern; weibt den Mars ihre Aderfeld, welches Marsfeld genanınt wird; laͤßt vornehme Juͤnglinge, unter ihnen feine eigenen und feiner Schweſter Söhne, weil fie fidy zur Wiederaufnahme der koͤnigli⸗ chen Familie verfchworen hatten, enthbaupten ; ſchenkt dem Scla⸗ ven, welcher die Anzeige machte und Vindicius hieß, die Frei⸗ heit, Nach feinem Namen wurde bie Bindicta benannt. Als er gegen die koͤnigliche Tumilie. welche Truppen von Veſi und Tarquinii zufammengezogen und Krieg begonnen hatte, das. Heer führt, filtt er zugleich mit Aruns, dem Sohne des Defpoten, in ber Feldſchlacht, und die Frauen trauern um ihn ein volles Jahr. Eap. 1 —6.

Der Eonful Publius WValerius führt durch einen Geſetzes⸗ vorfchlag die Berufung auf das Volt ein. Das Eapitolium wird eingeweiht. Porfena, König der Elufiner, unternimmt ei⸗ nen Kriegszug für die Tarquinier, gelangt bis zum Janiculum und wird am Vebergang über die Tiber nur durch die Tapfer⸗ teit des Syoratius Cocles verhindert, welcher, während die Anz dern bie Pfahlbruͤcke abbrechen, allein bie Etrusker aufhält, als die Brüde abgeworfen war, mit feinen Waffen in den Fluß ftürzt, und zu den Geinigen hinüberfowimmt. Cav. 7 10, Eine zweite Probe von Tapferkeit Iegt Mucius ab; er geht in's feindlige Lager, um den Porfena zu toͤdten, erfticht ben Schrei⸗

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122 Inhalt 868 zweiten Buche.

ber, ben er für ben König Hält, wird ergriffen, Yegt feine Hand

auf den Altar, auf welchem man eben geopfert batte, laͤßt fie jerbrennen und fagt: noch dreibundert wie er, haben fi gegen

es Koͤnigs Leben verfhworen. Bol Verwunderung fiber fie macht Porfena Friedensvorſchlaͤge, gibt den Krieg auf und läßt fin Geifein geben; eine von biefen, Eidlia, eine Jungfrau, täufn: die Wache, und fhwimmt über die Tiber zu den Jyri⸗ gen; fie wirb wieber ausgeliefert, aber von Porſena ehrenvoll surüdgefandt und mit einem Standbilde zu Pferde belohnt, Cav. 11—15. Appius Elaudins filter fi aus dein Sabiniſchen sach Nom; aus biefer Veranlaſſung wird eine neue Trious, die Elaudifche, errichtet. Die Zanı der Tribus wird auf 231 erhöht. Gegen Zarquinius, den Defvoten, ter mit einem Zatiner:Spceee feinbdlich anrückt, kämpft der Dietator Autus Poftumind gluͤcklich am Regitter: See. Eap. 16 22. Die Bürger, weiche wegen ver, Schutden halber, in Sclavenhaft Gehaltenen auf den heili⸗ gen Berg entwichen waren, werten durch bie Klugheit des Mes nenius Agrippa in die Stadt zuruͤckgebracht. Derelbe Auripypa wird, als er ſtirbt, wegen feiner Armuth anf oͤffenttiche Koften beſtattet. Es werben fünf Buͤrgertrivunen erwaͤhlt. Die Stabt der Volsker, Coristi, wird erobert durch die Tapferkeit und Ans ſtrenaung des Cajus Marcins, ber deßswegen ber Esrivianer ges nannt wird. Cap. 25 33. Tiberius Arinins, vom Bärger: ftante, wird in einem Geſichte geinahnt, von einigen den Goͤt⸗ terdienft betreffenden Dingen dem Senat Anzeige zu machen; er unterlaͤßt es, vertiert feinen Sohn, wird lahm, laͤßr fig nun im einer Sänfte vor den Senat tragen, mawt even jene Anzeige, erbäft den Gebrauch feiner Süße wieder und geht nach Haufe. Eajus Marcius ber Eoriolaner, ber verbannt worben wear, wird Anführer der Boldter, ruͤckt mir feindlimer Heeresmacht gegen bie Stadt Rom an; umfonft fliehen zuerft die an ihn abgefer⸗ tigıen Befandten , dann bie Prieſter, er möchte feine Vaterſtadt nicht befriegen; doc feine Mutter Veturia und feine Garmin Bolumnia vermdgen ihn zum Abzuge. Cap. 53h —4o. Das Ackergeſetz wird zum erftenmal vorgeſchlagen. Der gewefene Eonfut Spurius Caſſius wird auf bie Antlage, daß er nad

Zweites Bud). H. Erb. Roms, 245. V. Chr. 507. 123

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Sem Throne geftrebt, verurtheitt und hingerichtet. Die Beſtalin, Oppla wird mwenen Unzucht lebendig begraben. Da bie venach⸗ barten Vejenter mehr läfttae als gefähriine Feinde waren, bittet ſich die Familie der Papier die Führung dieied Krieges aus, und ſchickt hiezu dreihundert und ſechs Bewaffnete ab, welche insgefammt am Fiuffe Cremera von den Feinden niebergehauen werden, fo daß nur Ein Unmuͤnbiger zu Haufe Abrig blieb. &ap. 11 50. Als durch die Widerſpenſtigkeit des Heeres sine Sclacht genen bie Volstek verloren geht, "läßt ber Eonſul Ap⸗ ping Elaudius jeden zehnten Mann zu Tode prügeln. Cap. 51 59. Berner enthaͤlt dieſes Buch vie Fenden mir ven’ Vols⸗ kern, Wequern und WVejentern und bie Streitigkeiten zwiſchen den Bätern und den Buͤrgern. Eap. 60— 65,

Zweites Bud.

1. Des nun freien .Rämifchen Wortes Thaten in Frie, den und Krieg, die jährlichen Behörden, und die Herrfchaft der Geſetze, "mächtiger ald die der Mienfchen, werde ich von jebt an befchreiben.

Daß diefe Freiheit um ſo freudenvoller war, hatte des lbetzten Königs Defpofismus gemacht. Dem die Früheren Herrfihten alfo, daß man nicht unverdient Alle der Reihe nach ald Gründer jvenigfiens derjenigen Theile der Stadt zaͤhlte, weiche fie k als neue Wohnſitze für die von ihnen vermehrte Bendtkerung, ‚beifügten. Und unftreitig hätte ders erde Brutus, weicher durch MWertreibung des defpotiichen Königs fo großen: Nahm eulangte, das größte Unheil dem

124 Livius Römifche Gefchichte. Zweites Bud).

. gemeinen Wefen zugefügt, wenn er aus Begierde nach unrei⸗ fer Freiheit einem der früheren Könige DAB Scepter aus den Händen gewunden hätte. Denn was wäre gefchehen, wenn jener Pöbel von Hirten und Zufammentömmlingen, die, auß- ihrer Heimath flüchtig, hierher liefen, unter dem Schub eis ned unverleglichen Heiligthums (des Aſyls), im Beſitze ver Freiheit oder wenigftens der Straflofigkeit, ledig der Furcht vor einem Könige, angefangen hätte, durch Zribunenflürme hin und her getrieben zu werden und in. einer ihm noch frem⸗ den Stadt in Streit ſich einzulaffen. mit den Vätern, che noch die Bande der Liebe zu Weib und Kind, und Anhänge lichkeit an den Boden felbft, auf welchem man erft durch die Zänge der Zeit heimifch wird, die Gemüther vereinigt hätte, erfpfittert hätte die Iwietracht den erft heranwachfenden Staat, welden ruhig leitende Herrſchaft hegte und durch Pflege dahin brachte, daß er die edle Frucht der Freiheit nun reif an Kräften tragen konnte. Der Freiheit Anfang aber fege man in diefe Zeit, einzig weil eine jährige Regierung von Eonfuln eingeführt wurde, nicht, ald wenn etwas ver mindert worden wäre an der Eönigfichen Gewalt, Aue ihre Rechte, alle ihre Ehrenzeichen behielten die erften Conſuln. Nur dafür ward geforgt, daß nicht beide zugleich die Ruthens - bündel ſFasces] hätten, und der Schrecken fo verdoppelt ſchiene. Zuerft führte die Ruthenbündel mit Einwilligimg feines Amts⸗ genoffen, Brutus, welcher nunmehr die Freiheit ebenfo eifrig ſchützte, als er fie errungen hatte. Vör Allem ließ er das fur die neue Freiheit begeifterte Volk, damit es nicht fpäter durch konigliche Bitten oder Geſchenke umgeflimmt werden könnte, ſich durch einen Eid verpflichten, keinen König in

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Rom zu dulden. Darauf verfiärkte er, damit der Senat auch durch die Menge feiner Glieder um fo mehr Gewicht erhielte, die durch die Hinrichtungen des Königs verminderte Anzahl der Väter bis auf volle dreihundert durch Aufnahme der Vörnehmften aus den Nittern, und feitden foll es her⸗ kommlich gewordei ſeyn, in den Senat zu laden „die Vaͤ⸗ ter und die Beigeordneten [Eomferiptil.' Beigeord⸗ nete nämlich nannte man die neu in den Senat Gewählten. Diefe Maßregel förderte ungemein die Eintracht des Staates und die Unhänglichkeit des Bürgerftandes an die Väter.

2. Darauf wurde für den Götterdienſt geforgt. Und weil gewiſſe öffentliche Opfer von den Königen felbft verrich⸗ fet worden waren, fo wählte man, damit auch. nicht irgend⸗ wo die Könige vermift würden, einen DOpferkönig. Diefes Priefterthbum ward dem Dberpriefter untergeordnet, damit nicht eine mit dem Namen verbundene Ehre der Freiheit, jest dem erften Gegenftande der Sorge, Eintrag thäte. Und leicht dürfte man im Beſtreben, - fie allzufehr von allen Geis ten anch in Kleinigkeiten zu wahren, nur zu weit gegangen feyn. Denn fogar der Name des Einen Confuls, obgleich derſelbe ſonſt in nichts anfließ, war den Bürgern widerwärs big. „Allzuſehr feyen die Targuinier an's Herrichen gewöhnt. Den Anfang habe Priscus gemacht; darauf fey Servius Tul⸗ lius König gewefen; und nicht einmal in diefer Zwifchenzeif habe Tarquinius der Defpot den Thron, als einen fremden, vergeffen, fondern ihn, wie ein Erbftüd feines Haufes, mit ‚Srevel und (Gewalt wieder an ſich geriſſen. Nach Vertrei⸗ bung des Defroten habe der Eollatiner die Gewalt. Die

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Zarguinier wäffen nicht im Privatſtande zu leben ; dieſer Na⸗ me tauge nichts; er fey gefährlich für die Freiheit. Diefe Heußerungen von Menſchen, weiche anfangs nur feife bie Stimmung zu erforfchen fuchten, verbreiteten fich durch Nie ganze Stadt; da Iud Brutus die durch Argwohn beunruhig⸗ ten Bürger zur Derfammlung. Vor Altm las er hier ven Eid des Volkes vor: Gie wollen keinen König leiden, noch im’ Rom Etwas dulden, was die Freiheit gefährden könnte. „Dieß müße man mit aller Kraft fefthalten, und nichts ges ring achten, was. fid) Darauf beziehe. Ungerne fpreihe er, um eines Mannes willen, und er würde nicht gefprochen haben, ginge ihm nicht die Liebe zum Freiſtaat über Alles. Das Römiſche Volk glaubernicht, daß die Freiheit ganz und feft errungen fey. Das königliche Geſchlecht, der Eönigliche Name fen noch, nicht wur in der Stadt, fondern auch im Regiment. Dieß gefährde, dieß hindere die Freiheit. Diefe Furcht, fuhr er fort, entferne Du, Lucius Tarquinins, mit freiem Willen. Wir wiffen, wir betennen ed, Du haft die Könige vertrieben. Vollende dein Verdienſt: nimm von hier den königlichen Na⸗ men weg. Dein Eigenthum werden Dir Deine Mitbürger auf meinen Autrag nicht nur herausgeben, fondern aud, was etwa abgeht, reichlich vergüten. Gehe als Freund. Entlaffe bie Bürger von einer vielleicht eiteln Furcht. Sie glauben aun einmal, mit dem Zarquinifchen Gefchtechte werde auch das Königehum ſich von hier entfernen.” Dem Eonful hatte zuerſt das Staunen über einen fo unerwarteten und überra⸗ ferenden Antrag die Sprache genommen. Als er daranf zu zeden anfing, umringten ihn die erften Bürger und baten ins ftändig um daſſelbe. Zwar fie Alle machten wenig Eindruck

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auf ihn; als aber Spurius Lucretins, hervorragend durch Alter und Würde und noch uberdieß fein. Schwäher, auf alfe Weiſe, bald mit Birten, bald mit Zureden in ihn drang, er möchte dem einftimmigen Wunfche der Bürger nachgeben, da degte der Eonſul, aus Furcht, das Gleiche möchte ihm fpätey, wenn fein Amt zu Ende wäre, nebft Verluft der Güter und noch anderem Scimpfe widerfahren, das Confulat nieder, fieß au fein Vermögen nach Yavinium bringen und raͤumte die Stadt. Brutus machte nach einem Senatsfchluffe den Antrag an das Volk, Daß Alle vom Tarquinifchen Geſchlechte ‚verbannt ſeyn follen; zum Amtsgenoſſen wähle er ſich ia eis ner Wahlverſammlung nach Geuturien den Publius Valerins, ‘mit deffen Hülfe er die Könige verfloßen hatte. |

3. Niemand zweifelte Daran, daß ein Krieg von Seiten der Tarquinier bevorftehe; diefer jedoch brad) fpäter aus, als man allgemiein erwartete; hingegen wurde, was man nicht be⸗ fürchtefe, durch, Lift und Verrath beinahe die Freiheit verlo⸗ ren. Es gab unter den jüngern Römern einige Fünglinge, and zwar nicht von niedriger Geburt, die unter dem Königs thum in ihren Lüften ungebuntener gewefen waren, Alters⸗ genoffen und Befpielen der jungen Tarquinier, gewohnt auf Zöniglichem Fuße zu leben. Diefe Ungebundenheit jetzt, Ba Alte gleiche Rechte Hatten, vermiffend, klagten fie einander, daß vie Freiheit Anderer für fie zur Gckaverei geworden ſey. „Ein König fey ein Menfch, von dem man Recht, von dem ‚man Unrecht, nadı Bedarf, auswirken könne; da finde Gnade ſtatt und Huld; er könne zümen, Bönne auch verzeihen; er wiſſe zwifchen Freund und Feind zu unterfcheiden. Die es ſetze feyen ein taubes Ding, ein unerbittiiches; heilfamer

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und beffer für den Schwachen als für den Mächtigen; fie Bennen Eeinen Nachlaß, Leine Verzeihung, wenn man die Schranken überfchritten; gefährlich fey es, bei fo vielen